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2. Kapitel: Das Verhältnis zwischen der kommunistischen Gesellschaft und den sozialen Gruppen

a) Die kommunistische soziale Hauptrelation

Eine Gesamtheit von Individuen, die ein gemeinsames Merkmal besitzen, aufgrund dessen sie auf die gesamte Gesellschaft eine Wirkung ausüben oder von ihr eine Wirkung erfahren, die sie als Einzelindividuen nicht besitzen, wird soziale Gruppe genannt. Gemeinsame Merkmale können bestimmte Wünsche, Rechte, Pflichten oder Eigenschaften biologischer, ideeller oder gesellschaftlicher Art sein. Eine soziale Gruppe existiert aber erst dort, wo ein solches Merkmal eine gesamtgesellschaftliche Wirkung hervorbringt, die bloße Tatsache einer Eigenschaft genügt nicht. Vielen formalen Merkmalen wird erst von der Gesellschaft selbst zu gesellschaftlicher Wirksamkeit verholfen, abhängig vom Charakter der Gesellschaft. Soziale Gruppen existieren real und besitzen eine reale gesellschaftliche Eigendynamik, unabhängig davon, ob sich die betroffenen Menschen dessen bewusst sind oder nicht.
Die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe ist nicht absolut. Da Menschen sehr viele Eigenschaften besitzen, können sie auch mehreren sozialen Gruppen gleichzeitig angehören, die sozialen Gruppen überlappen sich. Dabei stehen bestimmte Merkmale weiter im Vordergrund als andere, ist die Bindung eines Menschen an die eine soziale Gruppe stärker als an die andere. Jeder Mensch gehört irgendwelchen sozialen Gruppen an, hat Anteil an gesamtgesellschaftlicher Wirksamkeit, und sei es wegen seiner Passivität. Die gesellschaftliche Wirksamkeit ist ein Definitionsmerkmal der sozialen Gruppe. Welcher Art und wie stark diese Gruppenwirkung auf die Gesellschaft und die Rückwirkung der Gesellschaft auf die Gruppe ist, hängt allerdings wesentlich davon ab, welches gemeinsame Merkmal die Betroffenen besitzen, wieweit sie sich ihrer Zugehörigkeit bewusst sind und welchen Charakter die Gesellschaft trägt. Die zahlenmäßige Stärke ist hingegen nur bedingt entscheidend, eine Ausbeutergesellschaft wird ja auch nur von einer zahlenmäßig recht kleinen, dafür aber um so mächtigeren Gruppe beherrscht.
In Ausbeutergesellschaften sind alle Beziehungen zwischen sozialen Gruppen Klassenbeziehungen. Die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe entscheidet dort über den Platz im System der Ausbeutung, also darüber, in welchem Maße ein Mensch Ausbeuter und Ausgebeuteter ist. Die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe entscheidet dort über die Rechte, Pflichten und Privilegien von Menschen, ohne ihre individuellen Bewusstseinseigenschaften überhaupt in Betracht zu ziehen.
Die Mächtigen in einer Ausbeutergesellschaft haben auch die Macht, ihre Macht weiterzugeben. Daher werden individuelle Rechte dort vorzugsweise danach vergeben, welcher sozialen Gruppe die Eltern eines Menschen angehören, wieviel Macht, wieviel Reichtum sie besitzen, an welchem geografischen Ort und zu welcher Zeit ein Mensch geboren wurde oder welche Farbe seine Haut besitzt. Der Mensch selbst, seine Fähigkeiten, seine Moral, all das, was ein denkendes Wesen im eigentlichen ausmacht, ist dabei erst von sekundärer Bedeutung. Ausbeutergesellschaften trennen die Menschen verschiedener sozialer Gruppen voneinander und schaffen so aus individuellen Unterschieden sozialökonomische Gegensätze.
In der kommunistischen Gesellschaft lässt das kommunistische politische Hauptwirkungsprinzip als einziges Kriterium für die Teilnahme eines Menschen am politischen Entscheidungsprozess seine Fähigkeit zur Entscheidung im Interesse der Gesellschaft, sein Niveau der Gemeinschaftlichkeit und Bewusstheit, gelten. Weitergehende formale Eigenschaften oder Merkmale haben danach keinen Einfluss auf die politische Stellung eines Menschen.
In Ergänzung dazu weist aber die kommunistische individuelle Hauptrelation jedem Menschen seinen Anteil an den Rechten und Pflichten in der Gesellschaft entsprechend seinen ganz individuellen Eigenschaften und der gesellschaftlichen Notwendigkeit zu. Ein Vorurteil anhand von Merkmalen außerhalb der Bewusstseinseigenschaften beziehungsweise anhand von individuellen Merkmalen, die in keiner Weise die individuelle Fähigkeit, in der Gesellschaft zu wirken, beeinflussen, ist hier für die kommunistische Gesellschaft absolut ausgeschlossen. Daher können in der kommunistischen Gesellschaft überhaupt nur solche sozialen Gruppen existieren, deren Gruppenmerkmale die Individualität der Menschen beschreiben und die individuellen gesellschaftlichen Wirkungsfähigkeiten objektiv beeinflussen. Hautfarbe, Abstammung oder Aussehen werden damit gesellschaftlich bedeutungslos. Wissen, Können, Wollen und Bedarf werden zu den entscheidenden Kriterien. Die Existenz sozialer Gruppen in der kommunistischen Gesellschaft ist somit nicht mehr Ausdruck einer gesellschaftlich zugewiesenen Zwangsposition, sondern der freien gemeinschaftlichen und bewussten Entfaltung der Individualität eines jeden Menschen.
Damit wird das Merkmal einer sozialen Gruppe zum Ausgangspunkt eines speziellen Anliegens der kommunistischen Gesellschaft, indem es an sie eine spezielle Anforderung stellt oder zu ihr einen bestimmten Beitrag leistet.
Wenn die Menschen eine maximale gesellschaftliche Wirksamkeit erlangen sollen, wie es für das kommunistische ökonomische Hauptwirkungsprinzip notwendig ist, müssen sie sich ihrer Möglichkeiten dazu voll bewusst sein. Das bedeutet auch, dass sich die Menschen in der kommunistischen Gesellschaft der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe bewusst sein müssen, also ihre individuellen Eigenschaften und die daraus folgenden möglichen speziellen Rechte und Pflichten kennen müssen. Nur dann können sie ihre Rechte als bewusste Gemeinschaft und somit effektiv einfordern.
Ebenso aber können sie nur so ihre speziellen Qualitäten zum maximalen Nutzen für die Gesellschaft einsetzen, da sie dann diese mit den Qualitäten der anderen Menschen ergänzend koordinieren können. Die kommunistische Gesellschaft trennt die Menschen also nicht in Gruppen mit unterschiedlicher sozialökonomischer Position. Sie stellt keinen Gegensatz zwischen den sozialen Gruppen her, sondern sie gibt den Menschen die Möglichkeit, aufgrund ihrer Individualität ihren Platz in einer sich ergänzenden und so gegenseitig stärkenden Gemeinschaft aller Menschen zu finden.

Das Verhältnis zwischen der kommunistischen Gesellschaft und den in ihr nur aufgrund individueller, objektiv gesellschaftlich wirkungsfähiger Eigenschaften existierenden sozialen Gruppen ist dadurch gekennzeichnet, dass die Menschen entsprechend ihrer Individualität nach der individuellen Hauptrelation der kommunistischen Gesellschaft, ohne soziale Vorurteile, von der kommunistischen Gesellschaft behandelt werden und sie sich auf dieser Basis ihrer Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe und damit ihrer speziellen Rechte und Pflichten bewusst sind. Die kommunistische Gesellschaft ist die bewusste Negation der sozialökonomischen Separation der Gesellschaft in Gruppen.

Das ist die soziale Hauptrelation der kommunistischen Gesellschaft. Da diese eine Negation darstellt, wird sie auch von keinen Wirkungsprinzipien und Funktionsprinzipien begleitet, da ja kein Gegenstand vorhanden ist, der irgendwelchen Prinzipien gehorchen könnte. Statt dessen lassen sich verschiedene untergeordnete Relationen angeben, die entsprechend der kommunistischen sozialen Hauptrelation die Verbindung zur kommunistischen individuellen Hauptrelation herstellen. Dazu ist zum einen die Bestimmung der speziellen Gruppeneigenschaften, zum anderen der daraus folgenden speziellen Rechte und Pflichten nötig.

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b) Die kommunistische Relation zu den Geschlechtern

Solang Menschen biologisch geschlechtlich existieren, lassen sie sich formal aufgrund des wesentlichsten biologischen Unterschiedes innerhalb der gleichen biologischen Art, ihres Geschlechts, in zumindest zwei große Gruppen einteilen. Neben der Eigenschaft des Geschlechts selbst ist auch noch das geschlechtliche Verhalten wichtig, also die Art, wie die Menschen in der Gesellschaft mit ihrer Geschlechtlichkeit umgehen.
In Ausbeutergesellschaften wird der Geschlechtsunterschied auch in einen sozialökonomischen Unterschied transformiert, indem historisch entstandene gesellschaftliche Arbeitsteilungen innerhalb ursprünglich biologisch bedingter Partnerschaften in das System der Ausbeutung eingebaut werden, analog zu allen anderen Arbeitsteilungen auch. Dies führt dazu, dass ein Geschlecht, meist das statistisch körperlich stärkere, eine Herrschaft über das andere Geschlecht ausübt, ihm sogar teilweise Eigentumscharakter aufzwingt. Geschlechtliche Beziehungen sind in Ausbeutergesellschaften also im gesellschaftlichen Maßstab ökonomische Beziehungen, in denen biologisch bestimmte Sexualität und sozialökonomisch bestimmte geschlechtliche Partnerschaft gesellschaftlich gleichgesetzt werden.
Die grundlegendste dieser Beziehungen ist das Institut der Ehe. Die sozialökonomische Lebensgemeinschaft von Sexualpartnern wird Ehe genannt. Die Organisation der Menschen in Ehegemeinschaften bildet in Ausbeutergesellschaften die Grundlage gesellschaftlicher Organisation überhaupt, da sie die Herrschaft eines Geschlechtes und den Eigentumscharakter des anderen unmittelbar realisieren kann. Der Eigentumscharakter der sozialökonomischen geschlechtlichen Partnerschaft wird auf die Sexualität übertragen, beides wird auch zum Objekt des Handels und der Konkurrenz. Das betrifft Prostitution und Brauthandel ebenso wie sexuellen Leistungsdruck und Partnerbetrug. Da sich beide zwischenmenschlichen Beziehungen aber sowohl in ihrer Grundlage als auch in ihrem Verhalten stark unterscheiden und somit ihre gesellschaftliche Gleichsetzung einen Widerspruch beinhaltet, wird die freie Entwicklung von Sexualität und Partnerschaft behindert und deformiert.
Dieses Problem kann nur gelöst werden, wenn die sozialökonomische Spaltung der Menschen nach dem Geschlecht aufgehoben wird, wenn Partnerschaft und Sexualität keine ökonomische Grundlage mehr haben, sondern nur noch Ausdruck der individuellen Gemeinschaftlichkeit der Menschen sind. Das in einer Ausbeutergesellschaft bereits bestehende Niveau der Gemeinschaftlichkeit und Bewusstheit entscheidet darüber, wieweit die Menschen ihre geschlechtlichen Beziehungen, ihre individuellen Partnerschaften, aus dieser Fessel bereits befreit haben. Die Einbindung geschlechtlicher Beziehungen in das System der Ausbeutung ist dabei nicht nur Fessel für die individuelle Entwicklung des unterdrückten Geschlechtes, sondern auch für das machtausübende, indem es auf die Rolle des Herrschenden festgelegt wird, indem es also dem gesellschaftlichen Zwang zur Herrschaftssicherung unterworfen wird. Von einer freien Entfaltung der Individualität ist beides weit entfernt.
Da Sexualität und Partnerschaft in Ausbeutergesellschaften einem Eigentumsverhältnis unterliegen, spiegeln sie auch die Eigentumsverhältnisse der Gesellschaft wider. Damit werden Sexualität und Partnerschaft zu einem Bereich der Machtwillkür der Ausbeuter, die sich aufgrund ihrer ökonomischen Macht mehr und bessere Sexualität aneignen und sich vorteilhaftere, mehrere oder häufigere Partnerschaften wählen können. Sie besitzen die Macht, Menschen zu zwingen, ihnen zu Willen zu sein, sich zu prostituieren, Ausbeuter besitzen ein Sexualprivileg. Dabei ist es einerlei, ob der Zwang direkt erfolgt oder Menschen wie Gegenstände gekauft werden. Ebenso unerheblich ist es, ob die Ausbeuter diese Menschen selbst benutzen oder ihre Dienste verkaufen.
Doch auch die Ausgebeuteten leben in Ausbeutergesellschaften in einer geschlechtlich getrennten Welt. Dass sexuelle Beziehungen auch innerhalb der Klassen der Ausgebeuteten Eigentumscharakter haben und ein Ausbeutungsverhältnis begründen, liegt im Interesse der Ausbeuter. Denn dadurch erhält zumindest ein Teil der Ausgebeuteten die Gelegenheit, ihre Frustration, ihr Gefühl der Unterlegenheit durch die tägliche Erfahrung der Ausbeutung abzureagieren und durch Machtrausch auszugleichen. Durch diese Verlagerung gesellschaftlicher Ausbeutungsverhältnisse in die individuelle Lebensführung wird also eine Stabilisierung der Herrschaft der Ausbeuter erreicht, deren Leidtragende das sozialökonomisch schwächere Geschlecht ist. In Ausbeutergesellschaften ist Sexualität ein Herrschaftsinstrument.
Und da Kinder, die in so funktionierenden Familien aufwachsen, von Anfang an auf diese Rollenverteilung geprägt werden, aber weder psychisch noch sozialökonomisch stark genug sind, sich dagegen zu wehren, wird diese Art der Sexualbeziehungen ebenso reproduziert wie die Gewöhnung an und Akzeptanz von Ausbeutung allgemein. Erst durch die Herausbildung von Gemeinschaftlichkeit und Bewusstheit infolge ihrer Weiterentwicklung als Produktivkraft können die Ausgebeuteten diesen Bannkreis durchbrechen.
Die Unterscheidung der Menschen nach dem Geschlecht erweist sich auch in der kommunistischen Gesellschaft als nicht nur formal, sondern real gesellschaftlich wirksam, da aus den biologischen Unterschieden auch Unterschiede von Individualitätseigenschaften und Bedürfnissen folgen. Entsprechend der kommunistischen sozialen Hauptrelation ist eine sozialökonomische Trennung der Geschlechter in der kommunistischen Gesellschaft unmöglich, ebenso aber eine prinzipielle Gleichbehandlung, die die individuellen Unterschiede ignoriert.
Die sozialökonomische Bewertung der Menschen darf prinzipiell nur aufgrund der individuellen Eigenschaften erfolgen. Ergibt sich daraus eine statistische Ungleichverteilung der Geschlechter, so liegt trotzdem keine Diskriminierung vor, solang aus statistischen Daten keine Vorurteile bezüglich der einzelnen Menschen werden. In diesem Sinne darf auch kein prinzipieller Unterschied der Geschlechter in solchen Individualitätseigenschaften wie Intelligenz, physische und psychische Stärke und Geschicklichkeit konstruiert werden. Individuelle Eigenschaften wie Mut, Ehrgeiz, Kollegialität, Aggressivität, Einfühlungsvermögen und Ästhetik sind wissenschaftlich beweisbar nicht für bestimmte Geschlechter reserviert, auch wenn sie aufgrund biologischer Voreinstellungen ein bestimmtes Geschlecht statistisch bevorzugen können.
Damit ist für die kommunistische Gesellschaft kein geschlechtliches Rollendenken möglich, weder was die realen Abläufe in der Ökonomie, der Politik und des täglichen Lebens betrifft, noch bezüglich der moralischen Bewertung von Menschen. Eine Bevorzugung oder Benachteiligung eines Menschen wegen dessen Geschlechts in Fragen, die von objektiven Geschlechtseigenschaften nicht berührt werden, widerspricht nicht nur der Bewusstheit, indem sie Tatsachen ignoriert, sondern auch der Gemeinschaftlichkeit, indem sie die Menschen willkürlich trennt. Spott oder Verachtung für scheinbar geschlechtsuntypisches Verhalten verletzt die kommunistische Gesellschaft in ihren Grundlagen. Die Vermeidung des Rollendenkens ist deshalb bereits bei der Bildung der Kinder unabdingbar und besonders wichtig.
Da die Sexualität ein besonders starker biologischer Trieb ist, sind ihre Einflüsse auf die Menschen auch besonders groß. Die sexuellen Bedürfnisse bestimmen wesentlich das Verhältnis zwischen den Menschen und insbesondere zwischen den Geschlechtern. Wie andere fundamentale biologische Bedürfnisse auch, so entfernen die Menschen ihre Sexualität immer mehr von ihrem natürlichen Sinn und machen sie zu einem Teil ihrer gesellschaftlichen Kultur. Der ursprüngliche biologische Sinn der Sexualität ist die Fortpflanzung und damit der Erhalt der Art, sozial also der Erhalt der Gesellschaft. Diesen Sinn muss eine Gesellschaft natürlich weiterhin erfüllen, um fortzubestehen. Sie kann dazu die zur Kultur gewordenen biologischen Mechanismen verwenden, muss dies aber nicht, wenn sie andere technische Möglichkeiten besitzt. In diesem Grenzfall kann sich die Kultur der Sexualität sogar vollständig von der ursprünglichen biologischen Notwendigkeit lösen.
Infolge ihrer individuellen Hauptrelation hat die kommunistische Gesellschaft ein Interesse an der Entwicklung der Individualität eines jeden Menschen. Die kommunistischen Kulturprinzipien fordern daher kulturelle Entwicklungen, die ein positives Lebensgefühl vermitteln und Gemeinschaftlichkeit und Bewusstheit fördern. Somit darf die kommunistische Gesellschaft die Sexualität der Menschen nicht künstlich auf die biologische Konfiguration der heterosexuellen Zweierbeziehung beschränken. Bi-, Homo-, Auto-, Trans- und Nonsexualität widersprechen der kommunistischen Gesellschaft prinzipiell nicht. Sie unterstützt jede Art von Sexualität, die die Prinzipien der kommunistischen Kultur unterstützt, also die positiven Einfluss auf den individuellen Zustand, auf die Bewusstseinsentwicklung hat.
Im Gegensatz dazu kann die kommunistische Gesellschaft keine Formen der Sexualität akzeptieren, die die Individualität von Menschen sowie die kommunistischen Grundprinzipien der Gemeinschaftlichkeit und Bewusstheit verletzen. Sexueller Zwang, sexueller Missbrauch, Sadismus, Masochismus und sexuelle Machtausübung widersprechen im extremen Maße den kommunistischen Grundprinzipien und werden in der kommunistischen Gesellschaft daher weder geduldet, noch sind sie infolge der Wirkung der kommunistischen Grundprinzipien in einer voll entwickelten kommunistischen Gesellschaft als gesellschaftliche Erscheinung auch nur möglich. Da das Sein das Bewusstsein bestimmt, die kommunistische Gesellschaft aber alle ihre Konflikte auf der Basis ihrer Grundprinzipien lösen kann, minimiert sie die Entstehung von Aggressionen, die sich folglich auch nicht mehr in sozial relevantem Maßstab über Mechanismen der Sexualität zerstörend entladen können. Damit ist gesichert, dass jeder seine sexuelle Kultur entsprechend der kommunistischen individuellen Hauptrelation frei und ohne moralische oder direkte Zwänge entwickeln kann, solang er anderen nicht damit schadet, solang die gegenseitige Achtung der Menschen voreinander dabei ihren Ausdruck findet.
Da das kommunistische Grundprinzip der Gemeinschaftlichkeit keinen Eigentumscharakter für Beziehungen zwischen Menschen zulässt, beschränkt die kommunistische Gesellschaft die Menschen auch nicht auf monogame oder Dauerbeziehungen, sondern sichert ihnen infolge des kommunistischen Grundprinzips der Bewusstheit die freie Entscheidung über die Gestaltung ihrer Partnerschaften ohne gesellschaftliche Restriktionen. Dabei ist es unerheblich, ob die Menschen Sexualität und Lebenspartnerschaft für sich verbinden oder trennen, solang sie ihre individuellen Auffassungen darüber nicht anderen, speziell ihren Partnern, aufzuzwingen versuchen. Daher ist die Spaltung der Menschen nach ihrem Geschlecht in der kommunistischen Gesellschaft sogar in deren ureigenstem Bereich aufgehoben. Sexualität und Partnerschaft sind nicht mehr auf die biologische Konfiguration beschränkt, Lebenspartnerschaft hat nicht mehr notwendig etwas mit Sexualität zu tun. Damit verliert der Begriff der Ehe in der kommunistischen Gesellschaft mit seiner Funktion auch seine Berechtigung.
Die Notwendigkeit der Aufgabenteilung in Partnerschaften wird dadurch natürlich nicht aufgehoben. Aber sie darf nicht auf dem formalen Geschlechtsunterschied beruhen, sondern muss in jedem konkreten Einzelfall entsprechend den individuellen Eigenschaften der Beteiligten erfolgen. Dazu sind die Menschen in der kommunistischen Gesellschaft infolge der Gemeinschaftlichkeit und Bewusstheit allerdings auch in Eigenverantwortung in der Lage. Zudem unterstützt die Gesellschaft bei Verletzungen dieser Eigenverantwortung durch einzelne Menschen die Benachteiligten oder Geschädigten unmittelbar, am meisten jedoch bereits dadurch, dass sie nicht zulässt, dass Menschen aus ökonomischen Gründen zu Partnerschaften gezwungen werden. In der kommunistischen Gesellschaft hat niemand das Recht, von einem Menschen wegen dessen Geschlechts eine bestimmte Dienstleistung oder ein bestimmtes Verhalten zu fordern.
Der formale Unterschied zwischen den Geschlechtern bleibt aber trotzdem ökonomisch wirksam, da durch unterschiedliche biologische Merkmale spezielle Bedürfnisse bestehen. So erfordert ein teilweise unterschiedlicher Körperbau auch gewisse Unterschiede bei der körpergerechten Gestaltung individueller Bedarfsgüter. Ebenso bestehen weitere individuelle und gesellschaftliche Bedürfnisse auf den Gebieten der Hygiene und Medizin, bei denen sich die Geschlechter unterscheiden. Zudem existieren bestimmte biologisch bedingte Belastungen, so durch Menstruation, Schwangerschaft, Geburt und Stillen. Diese Belastungen wirken nicht nur physisch, sondern auch psychisch, und nicht zuletzt binden sie Zeit und Mühe. Da sie größtenteils nur auf Frauen direkt zutreffen, sind solche Belastungen also recht einseitig verteilt. Entsprechend den kommunistischen Distributionsprinzipien ist folglich auch eine relativ einseitige Versorgung der Menschen mit den notwendigen Gütern gerechtfertigt und sogar erforderlich, da damit keine gesellschaftliche Bevorzugung, sondern der Ausgleich biologischer Benachteiligung erfolgt. Dabei muss nur sicher sein, dass es sich wirklich um geschlechtstypischen Bedarf handelt und nicht um eine durch gesellschaftliches Rollendenken willkürlich erzeugte Bedarfsverschiebung in Richtung auf ein Geschlecht. Ein vergrößertes Versorgungsvolumen darf nicht als Alibi für Belastungen hinhalten, die ohne Notwendigkeit nur einem Geschlecht aufgebürdet werden.

Das Verhältnis der kommunistischen Gesellschaft zur biologischen Eigenschaft der Geschlechtlichkeit und den daraus folgenden physischen und psychischen Unterschieden der Menschen ist dadurch gekennzeichnet, dass jeder das Recht hat, seine Lebensweise frei von geschlechtlichen Rollenzwängen zu wählen und zu gestalten und dass seine geschlechtsbedingten ökonomischen Bedürfnisse beachtet und geachtet werden, und dass jeder die Pflicht hat, Sexualität und Partnerschaft gleichermaßen zur eigenen Entwicklung und der der Partner einzusetzen und andere Menschen und andere Lebensweisen frei von geschlechtlichen Vorurteilen und unabhängig von der eigenen Akzeptanz zu achten.

Das ist die sexuelle Relation der kommunistischen Gesellschaft. Sie sichert nicht nur eine Befreiung von Sexualität und Partnerschaft aus gesellschaftlichen Zwängen, sondern erzeugt damit auch ein unverkrampftes Verhältnis zur Sexualität und Körperlichkeit, indem sie mit dem Eigentumscharakter auch den Schleier des Geheimen, fast Verbotenen, beiseite zieht, ohne die Individualität der Sexualität, die Intimsphäre der Menschen, zu zerstören.

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c) Die kommunistische Relation zu den Generationen

Im Laufe ihres Lebens, beginnend mit der Geburt und endend mit dem Tod, verändern sich die Menschen. In ihren verschiedenen Lebensabschnitten verfügen sie über für ihren Individualentwicklungsabschnitt spezifische Eigenschaften, infolge denen sie ganz bestimmte Bedürfnisse haben. Weil Menschen lernfähig sind, entspricht jeder Lebensabschnitt einer bestimmten Stufe der Bewusstseinsentwicklung. Da jeder Mensch ganz eigene Erlebnisse hat, sein Leben individuell gestaltet, sind auch die Lebensabschnitte verschiedener Menschen recht verschieden, tragen in unterschiedlichem Maße zu seiner Bewusstseinsentwicklung bei. Doch es lassen sich zumindest drei Abschnitte im Leben eines Menschen abgrenzen, die eine gesamtgesellschaftliche Wirksamkeit entfalten.
Die Jugend eines Menschen ist besonders davon geprägt, dass weder sein Bewusstsein noch sein Körper voll ausgebildet sind. Erst im Laufe eines mühsamen und langwierigen Lernprozesses erwirbt er sich geistige Fähigkeiten und differenzierte Wertvorstellungen. Auch ist ein langer Weg zurückzulegen, bis er seine volle körperliche Leistungskraft gewinnt.
Die mittlere Generation steht auf dem Gipfel ihrer Individualentwicklung. Sowohl körperlich als auch geistig voll ausgebildet sind die Menschen in ihrem mittleren Lebensabschnitt zu hohen Dauerleistungen bei ihrer Arbeit befähigt, und zumindest ihre formale Fähigkeit zur Selbständigkeit im Denken und Handeln erreicht einen Höhepunkt.
Im Alter sinken geistige und körperliche Fähigkeiten wieder ab. Zwar verfügen ältere Menschen über umfangreichere Erfahrungen als jüngere Generationen, doch ihre Fähigkeit, diese Erfahrungen zu nutzen, nehmen mit zunehmenden Alterserscheinungen immer weiter ab. Mit dem fortschreitenden Abbau ihrer Kräfte sind Alte sogar immer mehr auf die Hilfe anderer angewiesen.
In Ausbeutergesellschaften wird nicht nur die Klassenspaltung der Gesellschaft auf jede einzelne Generation übertragen, sondern die Gesellschaft wird sozialökonomisch auch insgesamt in einzelne Generationen gespalten.
Kinder werden weitgehend als Eigentum ihrer Eltern oder anderer Erwachsener betrachtet. Daher sind sie von diesen einzelnen Menschen sozial und ökonomisch abhängig, oft sogar ihrer Willkür psychisch und physisch ausgeliefert. Auf diesem gesellschaftlichen Boden gedeihen Misshandlung und sexueller Missbrauch, aber auch die ganz alltägliche Gewalt, die als Erziehungsmaßnahme bezeichnet wird, meist aber bloß egoistische Unterdrückung ist. Ist eine Ausbeutergesellschaft extensiv, breitet sie sich ökonomisch aus, dann gelten Kinder, zumindest perspektivisch für die Zukunft, als ökonomisch wichtig für Eltern wie Ausbeuter, sie sind in Massen erwünscht. Ist eine Ausbeutergesellschaft dagegen in ihrem ökonomischen Wachstum behindert, dann werden Kinder unnütz, daher vernachlässigt oder überhaupt erst gar nicht gezeugt. Geburtenüberschuss und -mangel in gesellschaftsbedrohlichem Umfang entspringen aus der gleichen Ursache, dem Ausbeutungscharakter einer Gesellschaft.
Die Jugend der ausgebeuteten Klassen ist nicht nur infolge ihrer relativen Unterlegenheit unter und Abhängigkeit von den Älteren benachteiligt, sondern zusätzlich noch durch ihre Einbeziehung in die Ausbeutungsverhältnisse. Außerdem sind ihre Eltern, die sie schützen sollten, selbst von der Gnade der Ausbeuter abhängig. Daher ist die Jugend als Ausbeutungsobjekt besonders effektiv und dafür auch besonders begehrt.
Die mittlere als die ökonomisch aktivste Generation wird am wesentlichsten durch den Charakter einer Gesellschaft geprägt. Hier ist die Spaltung in Ausbeuter und Ausgebeutete am deutlichsten. Von hier aus werden die Ausbeutungsverhältnisse durch deren Abhängigkeit auf Jugend und Alter übertragen. Mit dieser Abhängigkeit von der mittleren Generation zwingt eine Ausbeutergesellschaft den jungen Menschen eine bestimmte soziale Stellung einzig infolge ihrer Geburt in einer bestimmten Familie auf, ein Ereignis, das sich kein Mensch selbst aussuchen kann, für das kein Kind eine Schuld trägt.
Alte Menschen sind zusätzlich noch, soweit vorhanden, von der sozialen Stellung ihrer sie unterstützenden Angehörigen abhängig, und natürlich davon, wie erfolgreich sie früher im gesellschaftlichen Konkurrenzkampf waren. Aber jeder Erfolg in diesem Kampf ist brüchig, und so hat eine Ausbeutergesellschaft die Tendenz, den Ballast der ökonomisch nicht mehr ertragsfähigen Alten verschwinden zu lassen, zumindest aber zu vernachlässigen.
Das hindert Ausbeuter aber nicht daran, auch Alte noch zum Werkzeug der Ausbeutung zu machen, indem sie sich über sie unter Vorwänden Vermögen ihrer Angehörigen oder gesellschaftliche Zuwendungen an die Alten aneignen. Damit sind die Alten diejenigen in der Generationsstruktur einer Ausbeutergesellschaft, die am meisten unter der Ausbeutung zu leiden haben. Selbst in der herrschenden Klasse der Ausbeuter sind die Alten aufgrund ihrer zunehmenden Schwäche meist irgendwann die Verlierer gegen ihre jüngeren Nachfolger, oft gegen ihre eigenen Kinder, im Konkurrenzkampf um die Macht.
Ausgebeutete haben nur geringe Möglichkeiten, ihren Nachwuchs zu unterstützen und für das eigene Alter vorzusorgen. Demgegenüber sichern sich Ausbeuter die Möglichkeit, ihr Eigentum und damit ihre sozialökonomisch privilegierte Stellung auf ihre Kinder zu übertragen. Sie verfügen über genügend Mittel, um sich ein sorgenfreies Leben auch im Alter leisten zu können. Ihre gesellschaftliche Macht gibt ihnen die Möglichkeit, sich als Klasse zu erhalten und ihr individuelles Leben ökonomisch abzusichern, Ausbeuter haben ein Generationsprivileg.
Die Abhängigkeit der verschiedenen Generationen voneinander einerseits und der teilweise aufgeprägte Eigentumscharakter andererseits führen dazu, dass die Menschen in Ausbeutergesellschaften in Familien organisiert sind, um sich eine sichere Basis für den Konkurrenzkampf zu schaffen. Die sozialökonomische Lebensgemeinschaft von Generationspartnern unter Einschluss ehelicher Gemeinschaften wird Familie genannt. Wie eng die Familienbeziehungen sind, hängt von den konkreten Umständen ab, aber in jeder Ausbeutergesellschaft bilden Familienbeziehungen zumindest den Startpunkt der gesellschaftlichen Wirkung der Menschen, da die ökonomischen Möglichkeiten der Familie die ersten und am sichersten für einen Menschen verfügbaren ökonomischen Potenzen darstellen.
Jede Generation besitzt bestimmte Merkmale, die einer Gesellschaft eine ganz bestimmte Generationsstruktur aufprägen. Da Menschen zumindest keine Lebensabschnitte überspringen können und infolge ihrer speziellen Merkmale sind alle Generationen auf eine spezifische Art voneinander abhängig.
Die Jugend erhält, was sie zum Leben braucht, durch die lebendige Arbeit der mittleren und die vergegenständlichte Arbeit der alten Generation. Ebenso gewinnt sie die Grundlage ihrer Bewusstseinsentwicklung aus dem Wissen, den Anschauungen und Erfahrungen der Älteren. Die mittlere Generation war selbst einmal die Jugend und sollte daher wissen, wie wichtig die Sorge um die Jugend für diese ist. Sie wird auch einmal alt und dann von der heutigen Jugend abhängig sein und sollte daher ein Interesse daran haben, dass die Alten einen geachteten Platz in der Gesellschaft und damit in den Wertvorstellungen der Jugend haben. Die Alten schließlich sind mehr oder weniger auf die Hilfe der Jüngeren angewiesen. Insofern kehren die Menschen in gewisser Weise im Alter mit umgekehrtem Vorzeichen zu den Bedürfnissen ihrer Jugend zurück.
Diese gegenseitigen Abhängigkeiten werden in der kommunistischen Gesellschaft infolge des kommunistischen Grundprinzips der Bewusstheit nicht nur erkannt, sondern infolge des kommunistischen Grundprinzips der Gemeinschaftlichkeit auch zum größtmöglichen gesamtgesellschaftlichen Nutzen bewusst gestaltet und ausgenutzt. Dazu besteht die Möglichkeit, da die Abhängigkeiten der Generationen nicht einseitig sind, sondern gegenseitig.

Das Verhältnis der kommunistischen Gesellschaft zur Individualentwicklung der Menschen von der Jugend bis zum Alter ist dadurch gekennzeichnet, dass jeder das Recht hat, als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft im Rahmen seiner individuellen entwicklungsbedingten Eigenschaften und Bedürfnisse und unabhängig von seinem numerischen Alter anerkannt, einbezogen und geachtet zu werden, und dass jeder die Pflicht hat, die aufgrund seiner Individualentwicklungsstufe gerade besonders ausgeprägte Eigenschaft auch besonders gut zu nutzen.

Das ist die generative Relation der kommunistischen Gesellschaft. Auch sie ist lediglich eine Anwendung der kommunistischen individuellen Hauptrelation, stellt also die Individualität in den Vordergrund, anstatt die Gesellschaft nach Generationen sozial zu spalten. Sie formuliert ein für alle Generationen gleichermaßen gültiges sozialökonomisches Recht-Pflicht-Paar, das aber gleichzeitig ihre individuell bestimmte Gruppeneigenschaft benutzt. Die kommunistische Generationsrelation lässt sich für jede der drei Generationen dergestalt konkretisieren, dass Teilrelationen auf der Basis der besonderen Gruppeneigenschaft formuliert werden.
In ihrer Jugend sind Menschen besonders aufnahmefähig für alle Arten von Informationen. Sie haben sowohl eine besonders starke Fähigkeit, formales Wissen zu erwerben als auch Wertvorstellungen darüber, wie sie ihr individuelles und gesellschaftliches Leben gestalten sollen und wollen. Da durch die Aufnahme dieser Informationen erst die Grundlage dafür geschaffen wird, dass diese Menschen ihr Leben meistern, stellt die Jugend die Zukunft einer Gesellschaft dar. In der Bildung der Jugend wird der zukünftige Charakter der Gesellschaft vorgebildet. Versäumt es die Gesellschaft, diese besondere Eigenschaft der Jugend, ihre starke Lernfähigkeit, zu nutzen, verspielt sie auch ihre Zukunftsperspektiven. Daraus folgt die Verpflichtung der kommunistischen Gesellschaft, auf die Bildung der Jugend besondere Sorgfalt zu verwenden, wie es die kommunistischen Bildungsprinzipien fordern.
Mit der besonderen Lernfähigkeit der Jugend ist auch die Fähigkeit verbunden, alle Ansichten und Erkenntnisse frei von Vorurteilen in Zweifel zu ziehen und neu zu bewerten. Diese Fähigkeit ist um so wertvoller, als das kommunistische Grundprinzip der Bewusstheit nur wirken kann, wenn die Gesellschaft sich immer wieder aufs Neue auf Fehler überprüft, wofür die Jugend immer wieder Gelegenheit gibt. Nur wenn die kommunistische Gesellschaft der Jugend erlaubt, die Frage nach dem Sinn und der Form ihres Lebens immer wieder neu zu stellen, kann sie erwarten, eine kommunistische Antwort darauf zu erhalten.
Die Jugend steht dabei nicht der Gesellschaft gegenüber, sondern ist ein integraler Teil von ihr. Erhält die Jugend das Gefühl, die Gesellschaft interessiere sich nicht für ihre Bedürfnisse und Ansichten, werden sich die betroffenen Menschen auch später nicht mit den Bedürfnissen der Gesellschaft, also mit den kommunistischen Grundprinzipien, identifizieren können. Daher muss die Jugend voll in das gesellschaftliche Leben einbezogen, müssen ihr Rechte und Pflichten in dem Maße zugestanden werden, das ihrem Entwicklungsstand entspricht. Nur durch die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung kann ein Mensch lernen, verantwortlich zu handeln. Und nur durch gesellschaftliches Vertrauen in ihn kann ein Mensch lernen, auch anderen zu vertrauen. Hier wird besonders deutlich, dass sich die kommunistischen Grundprinzipien der Gemeinschaftlichkeit und Bewusstheit selbst reproduzieren.
Die besondere Lernfähigkeit der Jugend hat aber auch eine problematische Seite. Sie liegt in der Tatsache begründet, dass, je jünger ein Mensch ist, sein Bewusstsein noch wenig entwickelt ist und er noch nicht über Mechanismen verfügt, sich erfolgreich mit den Anforderungen des Lebens auseinanderzusetzen. Gemeinsam mit der relativ geringen körperlichen Entwicklung führt das dazu, dass die Jugend noch nicht genug ökonomische Aktivität entwickeln kann, um sich selbst zu versorgen, zumindest dann nicht, wenn sie die Phase besonders hoher Lernfähigkeit ausreichend nutzen soll. Daher muss die Gesellschaft diese Versorgung soweit übernehmen, dass die Entwicklung der Jugend abgesichert ist. Natürlich muss auch die Jugend selbst ihren Arbeitsanteil leisten, in dem Maße, wie ihre Arbeitsfähigkeit wächst.
Da die Jugend aufgrund ihrer unvollständigen Ausbildung des Bewusstseins noch keine gefestigten Wertvorstellungen besitzt, reagiert sie besonders empfindlich auf jeden Einfluss und natürlich auf jeden Fehler. Jugendarbeit muss deshalb mit besonderem Einfühlungsvermögen erfolgen. Die Jugend muss vor feindlichen Einflüssen auf ihre Entwicklung geschützt werden. Aber ein solcher Schutz ist nur wirksam, wenn die Jugend die Notwendigkeit dieses Schutzes selbst bejaht, billigt und sogar fördert. Verbote nützen nichts, sie reizen nur zur Übertretung. Nur Aufklärung, nur die Erziehung zur bewussten Auseinandersetzung mit individuellen und gesellschaftlichen Problemen ist ein stabiler Schutz.

Das Verhältnis der kommunistischen Gesellschaft zur jungen Generation ist dadurch gekennzeichnet, dass jeder Jugendliche das Recht hat, die kommunistische Bildung zu genießen, bis zur wirtschaftlichen Selbständigkeit durch die Gesellschaft versorgt zu werden und von der Gesellschaft Verantwortung entsprechend seines Entwicklungsstandes übertragen zu bekommen, und dass jeder Jugendliche die Pflicht hat, die Bildungsmöglichkeiten aktiv zu nutzen und gesellschaftliche Aufgaben entsprechend seinem Entwicklungsstand zu übernehmen. Dabei steht das Recht im Vordergrund, da viele für dieses Recht erforderlichen ergänzenden Pflichten erst von späteren Generationen erfüllt werden können.

Das ist die Relation zur jungen Generation der kommunistischen Gesellschaft. Dass es sich nicht um eine vollständige, sondern um eine Teilrelation handelt, ist an der Tatsache zu erkennen, dass das Recht-Pflicht-Paar nicht vollständig ist, sondern Bezug auf die anderen generativen Teilrelationen nimmt.
Der Übergang von der Jugend zur mittleren Generation erfolgt kontinuierlich. Die Bildung eines jungen Menschen und seine körperliche Entwicklung erlauben ihm, immer besser die Verantwortung für sein individuelles und gesellschaftliches Leben zu tragen. Seine Charaktereigenschaften festigen sich relativ, wobei zu beachten ist, dass in diesem Sinne auch Beeinflussbarkeit eine gefestigte Charaktereigenschaft sein kann, die aber durch die kommunistische Bildung verhindert worden sein sollte.
Seine Fähigkeit, materielle Werte zu schaffen, wird schließlich so groß, dass ein Mensch auf die jugendspezifische Versorgung durch die kommunistische Gesellschaft verzichten kann und seinerseits mehr ökonomisch für die Gesellschaft leistet, als sie unmittelbar für ihn. Mit den in ihrer Jugend erworbenen geistigen und körperlichen Fähigkeiten besitzen die Menschen der mittleren Generation die nötigen Voraussetzungen, maximal ökonomisch aktiv zu werden. Diese besonders hohe Arbeitsfähigkeit, die sie vor den anderen beiden Generationen auszeichnet, ermöglicht es ihnen nicht nur, ihren eigenen Lebensunterhalt zu erarbeiten, sondern auch für die Versorgung der Jugend und des Alters zu sorgen, die selbst noch nicht oder nicht mehr in ausreichendem Maße für sich sorgen können. Dadurch bildet die mittlere Generation die ökonomische Basis des Zusammenlebens der Generationen in der kommunistischen Gesellschaft.
Diese Mehrarbeit für die Gesellschaft ist aber keine zusätzliche ungerechtfertigte Bürde, keine Ausbeutung. Vielmehr erfordert das kommunistische Grundprinzip der Gemeinschaftlichkeit, dass die Menschen in ihrem mittleren Lebensabschnitt die ökonomischen Vorleistungen der kommunistischen Gesellschaft zurückerstatten, die die Gesellschaft ihnen in ihrer Jugend zukommen ließ. Objekt dieser Rückerstattung ist das gegenwärtige Alter, das diese Vorleistungen erbrachte. Zu dieser Verpflichtung kommt noch eine zweite, die Vorleistung auf den zu erwartenden verstärkten Bedarf im Alter. Diese Vorleistung wird durch die Unterstützung der gegenwärtigen Jugend erbracht, die damit befähigt wird, später die Versorgung im Alter zu übernehmen. Das kommunistische Grundprinzip der Bewusstheit sichert dabei, dass diese Zusammenhänge begriffen und entsprechend genutzt werden können.
Der Ausgleich zwischen den Generationen erfolgt aufgrund des kommunistischen Grundprinzips der Gemeinschaftlichkeit auf gesamtgesellschaftlicher Ebene. Dadurch wird eine Ungleichverteilung der sozialen Belastungen der Jugend- und Altenbetreuung verhindert. Das gestattet der mittleren Generation, ihr Leben in einem Rahmen frei zu gestalten, der nicht durch zufällige Ereignisse bei einzelnen Verwandten in bestimmte Bahnen gezwungen wird. Zwar sind die Menschen damit nicht der Verantwortung enthoben, aber diese Verantwortung ist gleichmäßig verteilt und bietet so auch ein maximales Maß an Sicherheit für die Jungen und die Alten, die so nicht mehr von den notwendig sehr beschränkten Potenzen ihrer Angehörigen abhängen.

Das Verhältnis der kommunistischen Gesellschaft zur mittleren Generation ist dadurch gekennzeichnet, dass jeder Betroffene das Recht hat, dass die Gesellschaft die Versorgung seiner Generationspartner sicherstellt, und dass jeder Betroffene die Pflicht hat, seine Verantwortung innerhalb dieses gesellschaftlichen Versorgungssystems wahrzunehmen. Dabei steht die Pflicht im Vordergrund, da viele aus dieser Pflicht folgenden ergänzenden Rechte bereits von früheren oder erst von späteren Generationen wahrgenommen werden können.

Das ist die Relation zur mittleren Generation der kommunistischen Gesellschaft. Diese Teilrelation ist das Herzstück der kommunistischen Generationsrelation und ermöglicht erst das Wirken der beiden anderen Teilrelationen.
Mit zunehmendem Alter setzt immer mehr ein Abbau geistiger und körperlicher Fähigkeiten ein. Dieser Abbau kann drastische Folgen haben und das Leben eines Menschen schwer erschüttern. Er kann aber auch in Bahnen verlaufen, die den Menschen einen großen Teil ihrer Aktivität erhalten. In jedem, auch im günstigsten Fall, bedürfen aber Alte einer verstärkten individuellen und gesellschaftlichen Unterstützung, da sich ihre Aktionsmöglichkeiten einengen.
Doch das Alter und das altersbedingte Ausscheiden aus vielen Bereichen der ökonomischen Tätigkeit haben nicht nur Nachteile. Alte Menschen verfügen über einen Schatz von Wissen und Erfahrungen, den sie ein Leben lang angesammelt haben. Da die kommunistische Gesellschaft infolge ihres Grundprinzips der Bewusstheit interessiert ist, jedes Wissen zu nutzen, über das sie verfügt, kommt es für sie darauf an, diese Erfahrungen zu aktivieren. Durch die schrittweise Ausgliederung alter Menschen aus den Bereichen ökonomischer Aktivität verfügen diese auch über die notwendige Zeit und damit über eine große Flexibilität, ihre Erfahrungen weiterzureichen.
Alten Menschen kommt daher in der kommunistischen Gesellschaft ein besonderer Platz in der Bildung zu, nämlich Lehrer der Jüngeren zu sein. Natürlich darf dieser Fakt nicht verabsolutiert werden. Damit werden jüngere Menschen keinesfalls als Lehrer ausgeschlossen. Und auch bei alten Menschen stellt sich immer wieder die Frage, ob und wenn, dann wofür sich ein Mensch als Lehrer eignet. Auch gilt es zu berücksichtigen, dass auch die Fähigkeit zu lehren im Alter drastisch abnimmt. Hier kommt es also darauf an, die vorhandenen Ressourcen richtig zu erkennen und flexibel einzusetzen. Gesellschaftlich interessant ist dabei vor allem auch die Möglichkeit, dass sich Alter und Jugend im täglichen Leben direkt gegenseitig unterstützen, sind es doch neben dem fachlich-technischen Wissen vor allem ihre Lebenserfahrungen, die die Alten der Jugend zugänglich machen können.
Die Alten haben mit ihrer Arbeit die Grundlagen des gegenwärtigen Lebens geschaffen. Sie stellen die Vergangenheit, die Geschichte einer Gesellschaft dar. Eine Gesellschaft ohne Geschichte, ohne das Wissen um die Schwierigkeiten und Erfolge der gesellschaftlichen Entwicklung, ist nicht in der Lage, die Auswirkungen ihres Handelns einzuschätzen und wird letztlich scheitern. Daher ist es für die kommunistische Gesellschaft lebensnotwendig, dem Alter und mit ihm dem, was es mit seiner Arbeit geschaffen hat, mit Achtung entgegenzutreten. Diese Achtung muss insbesondere auch für all die Dinge und Anschauungen gelten, die in der Gegenwart ganz anders und vielleicht viel besser sind, ohne die aber die gegenwärtigen Errungenschaften nicht existieren könnten, da sie auf dem Vergangenen aufbauen.
Alte Menschen haben, zumindest insofern sie bisher in der kommunistischen Gesellschaft gelebt haben, ihr Leben lang in der einen oder anderen Weise für die Gesellschaft gearbeitet. Sie haben in ihren früheren Lebensabschnitten für die damaligen Alten gesorgt. Damit haben sie sich das Recht erworben, nun ebenfalls altersgerecht versorgt zu werden. Altersgerechte Versorgung reicht, entsprechend der Spezifik des Alterns, von alltäglicher zwischenmenschlicher Hilfe bis zur Vollbetreuung. Dabei steht der alte Mensch, seine Individualität, im Zentrum des Bemühens. Ein alter Mensch ist eben entsprechend der kommunistischen Generationsrelation ein Mensch, und kein Problem, dessen sich die kommunistische Gesellschaft so elegant wie möglich entledigen will. Die Altenbetreuung darf infolge des kommunistischen Grundprinzips der Gemeinschaftlichkeit nicht auf niedrigerem Niveau erfolgen, als das übrige Leben der Menschen. Das bedeutet auch, dass die Betreuung der Alten nicht auf die rein ökonomische Versorgung beschränkt werden darf. Ebenso dazu gehört auch die Einbeziehung in die Kultur, die Arbeit, aber auch die Bildung. Auch alte Menschen können meist noch lernfähig und interessiert sein, und sie können sich ihre geistigen Fähigkeiten um so besser erhalten, um so mehr ihnen dazu Gelegenheit gegeben wird.
Das Auftreten von Alterserscheinungen ist nicht an formale numerische Altersgrenzen gebunden. Auch die Geschwindigkeit des altersbedingten Verfalls ist individuell sehr verschieden. Daraus folgt, dass auch die Lasten der Altenbetreuung sehr ungleichmäßig und für die Betroffenen unverschuldet verteilt wären, würden sie nur auf die Verwandten der Alten abgewälzt. Daher kann das Phänomen der Alterung nur im gesamtgesellschaftlichen Maßstab ökonomisch bewertet und sozial bewältigt werden. Die Betreuung und Versorgung der Alten ist ein gesamtgesellschaftliches Anliegen, in dem natürlich die persönliche Beziehung zwischen jüngeren und älteren Menschen ihren Platz hat, aber nicht als eigentumsähnlicher ökonomischer Zwang.

Das Verhältnis der kommunistischen Gesellschaft zur alten Generation ist dadurch gekennzeichnet, dass jeder Alte das Recht hat, besondere Betreuung und Versorgung entsprechend seiner altersbedingt höheren Bedürfnisse und Achtung seiner für die Gesellschaft geleisteten Arbeit zu genießen, und dass jeder Alte die Pflicht hat, seine Erfahrungen und sein Wissen an die Jüngeren weiterzugeben, ohne ihnen seine individuelle Lebensauffassung aufzuzwingen. Dabei steht das Recht im Vordergrund, da viele für dieses Recht erforderlichen ergänzenden Pflichten schon von früheren Generationen erfüllt werden konnten.

Das ist die Relation zur alten Generation der kommunistischen Gesellschaft. Diese Teilrelation vervollständigt das System aus den kommunistischen Relationen zur jungen und mittleren Generation und schließt somit die gesamte kommunistische Generationsrelation ab.
In der kommunistischen Gesellschaft findet jede Generation einen wichtigen und würdigen Platz, ist jede Generation auf der Grundlage der bewussten Erkenntnis und Gestaltung der generativen Zusammenhänge fest in die Gemeinschaftlichkeit eingebunden. Konfliktfrei ist diese bewusste Gemeinschaft der Generationen nicht, denn die Koexistenz von Altem und Neuem bringt zwangsläufig Probleme mit sich. Aber die generative Struktur der kommunistischen Gesellschaft ermöglicht es ihr, solche Probleme im gesamtgesellschaftlichen Maßstab im gemeinsamen Interesse aller zu lösen. Damit verliert der Begriff der Familie seine sozialökonomische Funktion und damit seine Berechtigung. Er kann höchstens noch als Bezeichnung des verwandtschaftlichen Verhältnisses dienen, für das dieses Wort homonym, aber nicht synonym verwendet wird.

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d) Die kommunistische Relation zu den Nationalitäten

Eine große soziale Gruppe, deren Gruppeneigenschaft von Angehörigen und Außenstehenden je nach Bedarf willkürlich als gewichtete Auswahl aus den objektiven Eigenschaften der Gemeinsamkeit der Abstammung, der Sprache, der Kultur, der Geschichte, der Religion, des Territoriums, der Sozialökonomik und des Staates und aus den subjektiven Eigenschaften der Gemeinsamkeit der Moral, einer besonderen Berufung und eines besonderen Zusammengehörigkeitsgefühls deklariert wird, unabhängig von der realen Gültigkeit der deklarierten Gemeinsamkeit, wird Nationalität genannt. Die Willkür der Deklaration einer bestimmten Nationalität hat eine Vielzahl ebenso willkürlich interpretierbarer Begriffe zur Bezeichnung von Nationalitäten hervorgebracht. Solche Begriffe sind Clan, Stamm, Volk, Nation und Rasse. Diese bezeichnen im einfachsten Fall lediglich Nationalitäten unterschiedlicher Größe, die in dieser Reihenfolge mit steigender Wertigkeit einander untergeordnet sind. Allerdings werden ihnen auch von Fall zu Fall spezielle Bedeutungen, spezielle Auswahlen der möglichen Gruppeneigenschaften unterlegt, um bestimmte Wertungen damit auszudrücken.
Die Hierarchie der Nationalitätsbegriffe schließt direkt an die Ordnung der Menschen in Familien an, sie setzt die Hierarchie aus Kernfamilie, Großfamilie und Sippe fort. Daher hat sie zum einen denselben sozialökonomischen Ursprung. Die Deklaration einer Nationalität dient in einer Ausbeutergesellschaft dazu, ihren Angehörigen eine sichere Basis im gesellschaftlichen Konkurrenzkampf zu schaffen.
Andererseits kommt aber hier noch eine zweite Funktion hinzu, die sich aus der relativen Willkür der Nationalitätsdeklaration ergibt. Sie kann den Ausbeutern zur Sicherung ihrer Herrschaft dienen, indem durch die Behauptung einer angeblichen nationalen Einheit der Gegensatz zwischen den Klassen der Ausbeuter und der Ausgebeuteten kaschiert wird. Auch eignet sich die Deklaration einer Nationalität und damit bestimmter von denen anderer Nationalitäten verschiedener nationaler Interessen hervorragend dazu, die Ausgebeuteten in den Konkurrenzkampf zwischen den Ausbeutern einzubeziehen, sie im Interesse ihrer Herren unter dem Banner der nationalen Verantwortung und Zusammengehörigkeit gegeneinander auszuspielen und gegeneinander zu hetzen. In Ausbeutergesellschaften ist die Nationalität ein Herrschaftsinstrument.
Dabei wird der gerade verwendete Nationalitätsbegriff ganz nach den Notwendigkeiten der effektiven Ausbeutung variiert. Galt die Sprache eben noch als einigendes Band, ist sie morgen völlig unerheblich. Betonten verschiedene Religionsgruppen eben noch ihre Zugehörigkeit zu einer Nation im Kampf gegen einen gemeinsamen Gegner, sind sie morgen schon immer grundverschiedene Völker gewesen, das eigene gut, das andere natürlich böse.
Die Auffassungen, wie die Deklaration von Nationalitäten zu werten ist, lassen sich in vier Grundrichtungen einteilen, die sich auch teilweise überschneiden können. Die Auffassung von der Überlegenheit der eigenen Nationalität wird Chauvinismus genannt. Die Auffassung von der Exklusivität der eigenen Nationalität wird Nationalismus genannt. Die Auffassung von der Gleichwertigkeit aller Nationalitäten wird Internationalismus genannt. Die Auffassung von der Unnötigkeit der Nationalitätsdeklaration wird Kosmopolitismus genannt. Ausbeuter wählen aus diesen Möglichkeiten jeweils diejenige, die ihrer Ansicht nach gerade am besten ihren Ausbeuterinteressen entspricht. Je nach der Art der Ausbeutung und je nach ihren konkreten Möglichkeiten bevorzugen sie daher ganz unterschiedliche Einstellungen.
Das gilt auch für die Frage, was denn nun eigentlich die entscheidende Nationalität sei, deren die Menschen sich zugehörig fühlen sollen. Hier sind ebenfalls vier Grundrichtungen unterscheidbar. Das Streben nach nationaler Loslösung von einer größeren nationalen Einheit wird Separatismus genannt. Das Streben nach nationaler Integrität und Selbständigkeit einer nationalen Einheit wird Patriotismus genannt. Das Streben nach nationaler Vereinigung kleinerer nationaler Einheiten wird Pannationalismus genannt. Das Streben nach nationaler Einteilung der Menschen nach Rassen wird Rassismus genannt. Die Willkür bei der Deklaration der Nationalität überträgt sich natürlich auch auf die Größenskala, so dass der gleiche Mensch als Separatist, Patriot oder Pannationalist bewertet werden kann, je nachdem an welcher Stufe sich diese Bewertung orientiert.
Die Ausgebeuteten sind gezwungen, die herrschende Nationalitätsauffassung zu akzeptieren, wollen sie nicht als angebliche Feinde des eigenen Volkes behandelt werden. Demgegenüber besitzen die Ausbeuter die gesellschaftliche Macht, also auch Macht über die Deklaration der Nationalität. Sie können die Nationalitätendeklaration, die ja relativ willkürlich erfolgen kann, zur Sicherung ihrer Macht einsetzen, Ausbeuter besitzen ein Nationalitätsprivileg.
In der kommunistischen Gesellschaft besteht infolge des kommunistischen Grundprinzips der Gemeinschaftlichkeit keine Notwendigkeit zur Deklaration von Nationalitäten. Es existieren weder sozialökonomische Gegensätze, die zur Herrschaftssicherung kaschiert werden müssen, noch existiert ein Konkurrenzkampf, der es notwendig machte, sich eine nationale Hausmacht für diesen Kampf zu schaffen. Andererseits besteht infolge des kommunistischen Grundprinzips der Bewusstheit noch nicht einmal die Möglichkeit, Nationalitäten zu deklarieren, da die Bewusstheit die Ungültigkeit der möglichen Gruppeneigenschaften erkennen lässt. Einige der möglichen Gruppeneigenschaften entfallen bereits durch die formale Struktur der kommunistischen Gesellschaft, da sie dort gar nicht erst existieren. Die anderen sind gesamtgesellschaftlich einheitlich oder aber individuell variabel und stehen damit nicht mehr als Gruppeneigenschaft zur Verfügung.
Die Bewusstheit der wissenschaftlichen Erkenntnis der Eigenschaften, die einen Menschen erst zum Menschen machen, und der Mechanismen, nach denen sich diese Eigenschaften beim einzelnen Menschen herausbilden und entwickeln, sowie die Gemeinschaftlichkeit, die die Menschen dazu bringt, in anderen Menschen das eigene Menschsein wiederzuerkennen, verbieten eine Trennung der Menschen nach ihrer formalen biologischen Abstammung. Indem eine solche Trennung im gesellschaftlichen Leben nicht erfolgt, wird spontan eine Vermischung der Abstammungslinien infolge der biologischen Fortpflanzung der Menschen gefördert. Auf diese Art verlieren die Abstammungslinien letztlich auch formal ihre Einteilbarkeit in autonome Gruppen. Somit entfällt innerhalb der kommunistischen Gesellschaft die unterscheidende Eigenschaft der nationalen Abstammung, da die Abstammung individuell ist.
Gemeinschaftlichkeit wird vermittelt, indem die Menschen miteinander kommunizieren. Da ein Mensch nicht überall gleichzeitig sein, nicht alle ihn interessierenden Angelegenheiten auch direkt selbst erledigen kann, muss er mit anderen Menschen Informationen austauschen, um sich bewusst mit der Welt auseinandersetzen zu können. Wenn für diese gesellschaftliche Kommunikation mehrere gleichwertige Sprachen nebeneinander verwendet werden, kann der notwendige Informationsfluss nur gesichert werden, wenn alle Informationen auch in allen Sprachen verbreitet werden. Daraus folgt ein doppelter Mehraufwand, da zum einen faktisch mehrere autonome Kommunikationssysteme nebeneinander betrieben werden müssen, zum anderen ständig Arbeitskraft für Übersetzungen zwischen den Sprachen verbraucht wird.
Da aus diesem zusätzlichen Aufwand kein zusätzlicher Nutzen erwächst, sondern im Übersetzungsprozess zusätzliche Fehlermöglichkeiten auftreten, verlangt das kommunistische ökonomische Hauptwirkungsprinzip, dass nur eine einzige Sprache für die gesellschaftliche Kommunikation verwendet wird. Als weitere Anforderungen an diese gemeinsame Sprache ergeben sich daraus größtmögliche Eindeutigkeit und Ausdrucksreichtum, leichte Erlernbarkeit und Nutzbarkeit, leicht schreib- und lesbare Schrift.
Neben der gesellschaftlichen Verkehrssprache hat natürlich jeder Mensch in der kommunistischen Gesellschaft das Recht, weitere Sprachen ganz nach Belieben zu lernen. Aber er kann von anderen nicht verlangen, mit ihm in diesen Sprachen zu kommunizieren. Da das kommunistische Grundprinzip der Bewusstheit den Menschen die kommunikative Nutzlosigkeit von verschiedenen Gruppensprachen in der gesellschaftlichen Praxis erkennen lässt, können solche zusätzlich gelernten Sprachen keine gesellschaftliche Wirksamkeit als Kommunikationsmittel erlangen. Somit entfällt innerhalb der kommunistischen Gesellschaft die unterscheidende Gruppeneigenschaft der nationalen Sprache, da die Sprache gesamtgesellschaftlich ist.
Entsprechend den kommunistischen Kulturprinzipien stehen in der kommunistischen Gesellschaft jedem Menschen alle kulturellen Errungenschaften zur Verfügung. Jeder kann seine kulturellen Eigenarten im Rahmen der kommunistischen Grundprinzipien frei entwickeln. Es erfolgt weder die Festschreibung einer bestimmten Spielart der Kultur, noch überhaupt der Zwang zu ererbten Traditionen. Da die Menschen Individualität besitzen, wird es durch das Fehlen eines gesellschaftlichen Kulturzwanges unmöglich, dass kulturell homogene autonome soziale Gruppen in der kommunistischen Gesellschaft existieren. Da die Bildung und damit die entscheidende Erstvermittlung der Kultur eine gesellschaftliche Aufgabe ist und nicht Privataufgabe weniger Einzelner, wie der Eltern, wird wirksam verhindert, dass die Menschen bereits in ihrer Kindheit auf eine spezielle Kultur festgelegt und eingeengt werden. Somit entfällt innerhalb der kommunistischen Gesellschaft die unterscheidende Eigenschaft der nationalen Kultur, da die Kultur individuell ist.
Die Leistungen seiner Vorfahren sind nicht Verdienst oder Schuld eines gegenwärtigen Menschen. Er hat keinerlei Einfluss darauf, kann sich die Geschichte seiner Vorfahren nicht aussuchen. Aber er kann die Erfahrungen seiner Vorfahren für sich auswerten, sie zur Grundlage seines gesellschaftlichen Handelns machen. Er kann sich mehr oder weniger mit ihnen identifizieren, sich in ihre Tradition begeben. Da das kommunistische Grundprinzip der Bewusstheit verlangt, dass alle historischen Erfahrungen gleichermaßen zum maximalen gesellschaftlichen Nutzen nach dem kommunistischen ökonomischen Hauptwirkungsprinzip ausgenutzt und nach den kommunistischen Grundprinzipien einheitlich ausgewertet werden, und da die kommunistische Generationsrelation die Achtung der Leistungen der Alten, der Vorfahren, fordert, ist die Geschichte, und zwar jede menschliche Geschichte, Allgemeingut der kommunistischen Gesellschaft. Somit entfällt innerhalb der kommunistischen Gesellschaft die unterscheidende Eigenschaft der nationalen Geschichte, da die Geschichte gesamtgesellschaftlich ist.
In der kommunistischen Gesellschaft können Religionen keine gesellschaftliche Wirksamkeit erlangen, wie die kommunistische Religionsrelation zeigt. Da Religionen hier keine gesellschaftliche Aufgabe, also auch keine Notwendigkeit besitzen und keinen Beitrag zur Entwicklung der Menschen leisten, verschwinden sie schließlich infolge des kommunistischen ökonomischen Hauptwirkungsprinzips. Somit entfällt innerhalb der kommunistischen Gesellschaft die unterscheidende Eigenschaft der nationalen Religion, da eine kommunistische Religion nicht existent ist.
Die Abgrenzung von Siedlungsgebieten gegeneinander kann sich an geografischen Merkmalen orientieren, ist aber willkürlich. Durch mangelnde Transportmöglichkeiten oder -notwendigkeiten und durch Aufteilung der Territorien unter konkurrierende ökonomische Interessengruppen kommt es zur Spaltung der Menschen nach Siedlungsgebieten.
In der kommunistischen Gesellschaft existieren keine getrennten ökonomischen Interessengruppen. Die Territorien sind nur verwaltungstechnisch ein-, nicht aber aufgeteilt. Außerdem werden zwischen den Menschen infolge der kommunistischen Transportprinzipien die bestmöglichsten Verbindungen hergestellt, die auch aufgrund der wachsenden ökonomischen und gesellschaftlichen Verflechtung notwendig sind. Das 3. kommunistische ökonomische Hauptfunktionsprinzip überwindet die geografische Trennung gesellschaftlich, indem die territoriale Einteilung nach dem gesellschaftlichen Bedarf variiert wird. Es entscheiden immer die von einer Angelegenheit betroffenen Menschen, und das sowohl über formale territoriale Grenzen hinweg als auch eigenständig in kleineren Unterterritorien. Ermöglicht wird dies durch das 1. kommunistische ökonomische Hauptfunktionsprinzip. Somit entfällt innerhalb der kommunistischen Gesellschaft die unterscheidende Eigenschaft des nationalen Territoriums, da das Territorium gesamtgesellschaftlich ist.
Die kommunistische Gesellschaft funktioniert nach klaren sozialökonomischen Prinzipien, die sich durch ihr Wirken ständig wieder selbst reproduzieren. Diese Prinzipien beschreiben die kommunistische Gesellschaft eindeutig und vollständig. Außer statistischen Schwankungen, die sich im zeitlichen Mittel ausgleichen, gibt es keinen Unterschied in der sozialen Stellung der Menschen. Das 3. kommunistische ökonomische Hauptfunktionsprinzip gemeinsam mit der kommunistischen sozialen Hauptrelation verhindern wirksam eine sozialökonomische Spaltung der Gesellschaft nicht nur horizontal, sondern auch vertikal. Somit entfällt innerhalb der kommunistischen Gesellschaft die unterscheidende Eigenschaft der nationalen Sozialökonomik, da die Sozialökonomik gesamtgesellschaftlich ist.
Die kommunistische Gesellschaft ist nicht in Form eines Staates organisiert. Auch kann es infolge des kommunistischen Grundprinzips der Gemeinschaftlichkeit nicht gleichzeitig mehrere kommunistische Gesellschaften geben. Somit entfällt innerhalb der kommunistischen Gesellschaft die unterscheidende Eigenschaft des nationalen Staates, da ein kommunistischer Staat nicht existent ist.
Die Moral der Menschen ist doppelt bestimmt. Ihr Wesen ergibt sich aus dem Charakter einer Gesellschaft und durch den sozialen Stand der Menschen innerhalb dieser Gesellschaft. Andererseits wird die Form, in der sie sich äußert, durch die konkrete geschichtliche Entwicklung, durch die Kultur, bestimmt. Das Wesen der Moral der kommunistischen Gesellschaft wird ausschließlich von ihrem Charakter bestimmt, da die Menschen in ihr nicht sozial gespalten sind. Ihre Form ergibt sich aus dem wissenschaftlichen Herangehen an alle Probleme. Damit ist die kommunistische Moral durch die Eigenschaften der kommunistischen Gesellschaft eindeutig bestimmt und unabhängig vom geschichtlichen Erbe. Somit entfällt innerhalb der kommunistischen Gesellschaft die unterscheidende Eigenschaft der nationalen Moral, da die Moral gesamtgesellschaftlich ist.
In Ausbeutergesellschaften beziehen viele Menschen ihre nationale Identität aus dem Glauben an eine bestimmte Berufung durch das Schicksal, der Welt eine bestimmte Wohltat erweisen zu können. Ähnlich wie bei der Moral dient ein solcher Glaube dazu, die Deklaration einer Nationalität zu stabilisieren, indem das Selbstwertgefühl der Menschen gestärkt wird. Da das Selbstwertgefühl der Menschen durch das kommunistische Grundprinzip der Bewusstheit und die kommunistische individuelle Hauptrelation bereits ein Maximum hat, ohne infolge des kommunistischen Grundprinzips der Gemeinschaftlichkeit das Selbstwertgefühl anderer Menschen zu verletzen, kann ein solcher Glaube keinen gesellschaftlichen Nutzen erbringen. Da ein außerhalb der Realität der Gesellschaft stehender Auftraggeber für eine solche Berufung nicht existieren kann, wie die Argumentation zur kommunistischen Religionsrelation zeigt, ist dieses Merkmal ohnehin nur subjektiv, es existiert nicht wirklich. Daher verhindert das kommunistische Grundprinzip der Bewusstheit, dass sich ein solcher Glaube in der kommunistischen Gesellschaft etabliert. Somit entfällt innerhalb der kommunistischen Gesellschaft die unterscheidende Eigenschaft der nationalen Berufung, da eine kommunistische Berufung nicht existent ist.
Gemeinschaftlichkeit ist nicht nur ein sozialökonomisches Prinzip, sondern auch ein Gefühl, das Gefühl der Zusammengehörigkeit aller Menschen. Ein nationales Gefühl der Zusammengehörigkeit, das einerseits auch völlig fremde Menschen verbinden, andererseits aber miteinander vielleicht gut vertraute Menschen mit formal unterschiedlicher Nationalität trennen soll, ist keine Gemeinschaftlichkeit, sondern Kumpanei. Es ist kein wirkliches Zusammengehörigkeitsgefühl, sondern Elitebewusstsein. Auch in der kommunistischen Gesellschaft gibt es das Gefühl der Vertrautheit mit Regionen und Menschen mit bestimmten Eigenarten. Aber da hier das kommunistische Grundprinzip der Gemeinschaftlichkeit als reales gesellschaftliches Prinzip wirkt, ist ein Elitebewusstsein als gesellschaftliche Erscheinung unmöglich. Somit entfällt innerhalb der kommunistischen Gesellschaft die unterscheidende Eigenschaft des nationalen Zusammengehörigkeitsgefühls, da das Zusammengehörigkeitsgefühl gesamtgesellschaftlich ist.

Das Verhältnis der kommunistischen Gesellschaft zur willkürlich deklarierten Eigenschaft einer Nationalität ist dadurch gekennzeichnet, dass jeder das Recht hat, im Rahmen der kommunistischen Grundprinzipien für seine Kultur frei aus dem historischen Erbe aller menschlichen Nationalitäten zu wählen, und dass niemand das Recht hat, andere Menschen mittels der Deklaration von Nationalitäten zu verachten, zu benachteiligen oder zu dominieren.

Das ist die nationale Relation der kommunistischen Gesellschaft. Die Verneinung eines Rechtes darin ist nichts anderes als die Pflicht einer Unterlassung. Sie drückt im Gegensatz zur kommunistischen Sexual- und Generationsrelation die Negation der sozialen Berechtigung der Einteilung der Menschen nach Nationalitäten in der kommunistischen Gesellschaft aus.
Entsprechend dieser Relation sind in der kommunistischen Gesellschaft jegliche Formen nationaler Autonomie undenkbar, denn Sonderrechte für einzelne Bevölkerungsgruppen würden die Rechte der anderen Menschen, würden die Gemeinschaftlichkeit verletzen. Ebenso unmöglich ist aber auch jede nationale Unterdrückung, da es allen Menschen freisteht, ihre Kultur individuell zu wählen, und da gleichzeitig durch die kommunistischen Grundprinzipien grundsätzlich jede Unterdrückung, jede sozialökonomische Spaltung der Menschen wirksam verhindert wird. Das Fehlen von Nationalitäten in einer voll ausgebildeten kommunistischen Gesellschaft führt nicht nur dazu, dass Chauvinismus und Nationalismus verschwinden, ebenso werden auch Internationalismus und Kosmopolitismus mangels eines Objektes der Betrachtung unmöglich.

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e) Die kommunistische Relation zu den Behinderten

Die Verminderung der physischen oder psychischen Funktionalität eines lebenden Organismus, gemessen am durch die biologische Art, das biologische Alter und die natürliche Lebensführung bestimmten Normalzustand, infolge von Dysfunktionen und Defekten wird Krankheit genannt. Die Abwesenheit von Krankheit wird Gesundheit genannt. Dysfunktionen, also Störungen im Ablauf von Lebensprozessen, können durch äußere Einflüsse, aber auch durch andere Störungen oder Defekte hervorgerufen werden. Demgegenüber sind Defekte substanzielle Schäden an Organen. Defekte liegen allerdings nicht vor, wenn bestimmte Merkmale zwar unter Durchschnitt ausgebildet sind, aber die natürliche Funktionalität gesichert ist. Da die Definition der natürlichen Funktionalität nicht völlig eindeutig ist, ist die Grenze zwischen Gesundheit und Krankheit etwas unscharf, aber praktikabel.
Krankheiten können sich auf sehr verschiedenartige Weise zeigen und beeinträchtigen dabei meist durch ihre Symptome auch das Leben der Betroffenen. Die Behinderung des individuellen Handelns durch die Symptome von Krankheiten wird Invalidität genannt. Je nach dem Charakter der sie verursachenden Krankheiten kann Invalidität reversibel oder irreversibel sein. Weiterhin kann sie ererbt oder im Verlauf des Lebens erworben sein, und sie kann aus geistigen oder körperlichen Behinderungen bestehen. Eine wichtige Folgerung aus ihrer Definition ist aber die, dass Invalidität im Gegensatz zur sie verursachenden Krankheit erst dann wirksam wird, also erst dann überhaupt existiert, wenn der von ihr betroffene Mensch Handlungen ausführen will oder muss, die durch seine Krankheit behindert werden. Zwar überträgt sich die Unschärfe der Grenze zwischen Gesundheit und Krankheit auch auf die Grenze zur Invalidität, aber bei Betrachtung der möglichen Grenzfälle wird sofort deutlich, dass Invalidität eine gesellschaftlich wirksame Erscheinung ist, solang Krankheiten nicht vollständig vermeidbar sind.
Da Menschen ökonomisch tätig sind, um sich die materiellen Grundlagen ihres Lebens zu schaffen, manifestiert sich Invalidität wesentlich als Einschränkung der Arbeitsfähigkeit. Aber auch bei der Gestaltung ihres täglichen Lebens sind Invalide gegenüber anderen Menschen mehr oder weniger benachteiligt.
In Ausbeutergesellschaften ist es vor allem die eingeschränkte Arbeitsfähigkeit, die zu gesellschaftlicher Wirksamkeit gelangt. Diese bedeutet nämlich für die Ausgebeuteten eine verringerte Ausbeutungsfähigkeit, folglich also ein vermindertes Interesse der Ausbeuter an invaliden Arbeitskräften. Andererseits bringt eine Invalidität auch deshalb eine Verschlechterung der Position im Konkurrenzkampf mit sich, da sie die Kampfkraft des Betroffenen schwächt.
Der Klassencharakter der Ausbeutergesellschaften führt dazu, dass die Beeinträchtigung der sozialen Stellung durch Invalidität für die Ausgebeuteten viel gravierender ist, als für die Ausbeuter. Die Ausbeuter verfügen über fremde Arbeitskraft und angeeigneten Reichtum, die ihnen nötigenfalls eine weitgehende gesellschaftliche Kompensation ihrer Invalidität ermöglicht. Hier treffen verschiedene Ausbeuterprivilegien zusammen, so das Medizinprivileg und das Arbeitsprivileg. Demgegenüber werden Behinderte aus den ausgebeuteten Klassen aufgrund ihres verringerten ökonomischen Nutzwertes immer mehr an den Rand der Gesellschaft gedrängt und sind dann von der begrenzten Hilfe ihrer Klassengenossen, häufig genug jedoch von der arroganten Gnade der Mächtigen und Reichen abhängig.
Aber auch die Schwierigkeiten bei der individuellen Lebensgestaltung Behinderter können in Ausbeutergesellschaften gesellschaftlich relevant werden. Da diese Schwierigkeiten spezielle Bedürfnisse zu ihrer Überwindung zur Folge haben, eröffnen sie den Ausbeutern die Möglichkeit, durch die Befriedigung dieser Bedürfnisse nicht nur die Invaliden selbst auszubeuten, sondern sie darüber hinaus zum Werkzeug der Ausbeutung der sie unterstützenden Menschen zu machen.
Solang es sich um Menschen, also um Wesen mit einem wenigstens begrenzt handlungsfähigen Bewusstsein, mit Individualität und Persönlichkeit handelt, unabhängig davon, ob geistige oder körperliche Behinderungen vorliegen, erkennt sie die kommunistische Gesellschaft infolge der kommunistischen individuellen Hauptrelation als ihre vollwertigen Mitglieder an. Ihre Rechte und Pflichten messen sich danach an ihren konkreten Fähigkeiten und ihrem Bewusstseinsentwicklungsstand. Damit fordert die kommunistische soziale Hauptrelation aber sofort auch, dass die sozialökonomische Stellung der Menschen nicht durch Behinderungen beeinflusst werden darf. Das ist nur möglich, wenn die Gesellschaft das in ihrer Macht Stehende tut, um krankheitsbedingte Behinderungen gesellschaftlich zu kompensieren, sie entsprechend ihrer technischen Möglichkeiten unwirksam zu machen. Die kommunistische Gesellschaft realisiert diese Forderung durch die kommunistischen Distributionsprinzipien.
Die einfachste und infolge des kommunistischen ökonomischen Hauptwirkungsprinzips bevorzugte Methode besteht darin, Behinderungen erst gar nicht entstehen zu lassen. Dazu ist die Unterscheidung der Invalidität nach der Art ihrer Entstehung interessant. Erworbene Behinderungen können dadurch weitgehend vermieden werden, dass einerseits die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen weitgehend von Gefährdungen jeglicher Art befreit werden. Andererseits müssen die Menschen durch entsprechende Gestaltung der Bildung befähigt werden, sowohl Gefahren rechtzeitig und umfassend erkennen und bewältigen zu können als auch verantwortungsbewusst mit gefahrenträchtigen Situationen umzugehen. Dadurch können sowohl Unfälle als auch Fahrlässigkeiten ebenso minimiert werden, wie mögliche Folgen von Invalidität, und natürlich auch alle weiteren möglichen negativen Folgen.
Ererbte Invalidität, meist infolge genetischer Schäden, kann dagegen nur verhindert werden, indem die Entstehung geschädigter Menschen selbst verhindert wird. Auch hier sind eine möglichst gefährdungsfreie Gestaltung der Lebens- und Arbeitsbedingungen und die Aufklärung der Menschen geeignete Maßnahmen, um zu verhindern, dass die Menschen ihre Erbanlagen schädigen und diese Schäden auf ihre Kinder vererben oder schädigende Einwirkungen auf die entstehenden Kinder übertragen.
Doch damit sind weder die bereits bestehenden übertragbaren und Erbkrankheiten, noch zufällig auftretende genetische Fehler zu bekämpfen. Das Risiko der Vererbung von Schäden kann wesentlich vermindert werden, wenn im Vorfeld der Zeugung von Kindern entsprechende vorsorgende medizinisch-genetische Untersuchungen durchgeführt werden, um Probleme rechtzeitig zu erkennen und gegebenenfalls zu beseitigen oder zu umgehen.
Zufällig auftretende oder nicht im Vorfeld erkannte Schäden lassen sich häufig feststellen, indem die Herausbildung eines Kindes nach seiner Zeugung medizinisch überwacht wird. Damit bietet sich die Möglichkeit, nötigenfalls noch vor der Entwicklung eines Wesens mit eigenem Bewusstsein korrigierend oder auch verhindernd einzugreifen, je nach den vorhandenen Möglichkeiten. Wichtig ist dabei der Zeitpunkt, denn Ziel ist die Verhinderung der Existenz eines behinderten Menschen, nicht aber die Beendigung der Existenz eines bereits lebenden Menschen.
Da die Grenze fließend ist, weil ein Mensch sein Bewusstsein kontinuierlich entwickelt, anstatt es zu einem definierten Zeitpunkt zu empfangen, bedarf es einer großen Verantwortung bei dieser Entscheidung. Diese Verantwortung ist jedoch durch die Wirkung der kommunistischen Kontrollprinzipien weitestgehend gesichert. Damit ersetzt die kommunistische Gesellschaft die durch ihr gesellschaftliches Handeln weitgehend unwirksam gewordene natürliche Auslese durch eine gesellschaftliche, bewusste Auslese zur Gesunderhaltung ihrer biologischen Art. Allerdings erfolgt diese nicht als Auslese, also durch Tötung, lebender Menschen, sondern durch Auslese der Entstehungsbedingungen der Menschen. Die kommunistische individuelle Hauptrelation verhindert somit sowohl die bewusste Verletzung der Lebensinteressen der existierenden als auch der zukünftigen Menschen. Es zuzulassen, dass Menschen mit Behinderungen entstehen, also Menschen bewusst dazu zu verurteilen, ihr gesamtes Leben ohne Chance und ohne eigene Schuld in Invalidität zu verbringen, obwohl es vermeidbar gewesen wäre, ist nach ihr ebenso verbrecherisch, wie Menschen mit Behinderungen gesellschaftlich herabzuwürdigen, zu benachteiligen, auszustoßen oder gar zu ermorden. Die freiwillige, bewusst und unbeeinflusst getroffene Entscheidung über den eigenen Tod, die in der kommunistischen Gesellschaft jedem Menschen zusteht, bleibt davon natürlich unberührt.
Trotz aller Achtsamkeit und Vorsorge wird es sich nicht gänzlich vermeiden lassen, dass Fälle von Invalidität auftreten. Ist das geschehen, wird daher das Interesse der kommunistischen Gesellschaft bestehen, die Folgen soweit wie möglich wieder zu beseitigen. Dazu bieten sich in erster Linie die bestehenden medizinischen Möglichkeiten an. Aber es besteht außerdem die Notwendigkeit, für den Betroffenen solche sozialen Bedingungen zu schaffen, dass sich die Selbstheilungskräfte des Körpers im Zusammenwirken mit der medizinischen Behandlung maximal entfalten können. Solche sozialen Maßnahmen sind die möglichst niedrige Belastung des Genesenden mit der verwaltungstechnischen Behandlung seines Schadensfalles, die zeitweilige Entlastung von bestimmten gesellschaftlichen Aufgaben, menschliche Unterstützung bei der Bewältigung der zusätzlichen psychischen Belastung und die Bereitstellung der benötigten materiellen Möglichkeiten.
Doch auch mit derartigen Maßnahmen wird es nicht immer vollständig möglich sein, zu verhindern, dass irreversible Schädigungen zurückbleiben, oder zumindest Schädigungen, die so langwierig sind, dass die betroffenen Menschen ihren Alltag danach einrichten müssen. Die naheliegendste Variante zur Kompensation solcher Behinderungen besteht in der gesellschaftlichen Bereitstellung von Prothetik, um die geschädigten Organe, soweit technisch möglich, zu ersetzen oder zu ergänzen. Weiterhin müssen speziell für die jeweils Betroffenen konstruierte, ihrer konkreten Behinderung angepasste Bedarfsgüter, also Dinge und Dienstleistungen, bereitgestellt werden. Darin einbezogen sind ebenso entsprechende Wohn- und Transportmöglichkeiten, wie auch gegebenenfalls eine direkte menschliche Betreuung.
Was für den Bereich des täglichen Lebens gilt, gilt ebenso für die Arbeit. Die meisten Behinderungen bedeuten nur eine teilweise Arbeitsunfähigkeit. Zudem kann die Arbeitsfähigkeit oft ganz beträchtlich einfach dadurch gesteigert werden, dass die Arbeitsmittel entsprechend geeignet gestaltet werden. Dadurch wird erreicht, dass die Behinderten auch im Arbeitsleben einen möglichst gleichwertigen Platz in der Gesellschaft einnehmen können. Wie die vorigen, so bezieht sich auch diese Maßnahme direkt auf invalide Menschen, ihnen werden Sonderbedingungen zur Verfügung gestellt. In Ergänzung dazu besteht aber auch die Möglichkeit, die allgemeinen, für alle Menschen gedachten Lebens- und Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass sie möglichst unkompliziert und flexibel nutzbar sind. So wird von vornherein die mögliche Wirkung von Invalidität begrenzt, und folglich sinkt auch die Notwendigkeit von Sonderaufwendungen. Zusätzlich zu diesem Effekt wird die maximale Ergonomie auch deswegen vom kommunistischen ökonomischen Hauptwirkungsprinzip gefordert, weil nicht nur Invalide, sondern auch alle gesunden Menschen aus der leichten Handhabbarkeit Nutzen ziehen, nicht zuletzt auch wegen der Minimierung von Gefahrenquellen. Der Effekt dieser Maßnahme ist vor allem bei leichteren, dafür aber um so häufigeren Behinderungen erstaunlich groß.
Nach der kommunistischen individuellen Hauptrelation bestehen Rechte in der kommunistischen Gesellschaft prinzipiell nur auf der Basis von Pflichten. Da die gesellschaftliche Kompensation von Behinderungen immer mit einem relativ erhöhten ökonomischen Aufwand für die Gesellschaft verbunden ist, besteht ein Recht darauf nur, insofern die Menschen im Rahmen ihrer individuellen Möglichkeiten aktiv zum Erfolg beitragen. Gesellschaftliche Unterstützung kann nur richtig wirken, wenn sie von den Betroffenen auch bewusst genutzt wird. Wer durch verantwortungs- oder achtloses Verhalten nicht selbst aktiv zur Vermeidung von Gefährdungen beiträgt, wer sich an seiner Genesung von erlittenen Schäden desinteressiert zeigt oder sich gar absichtlich Schäden zufügt, und schließlich wer nicht willens ist, seine zwar eingeschränkten, aber noch vorhandenen Möglichkeiten zu selbständiger Lebensführung zu nutzen, der verliert in gleichem Maße auch seine diesbezüglichen Rechte auf Unterstützung.

Das Verhältnis der kommunistischen Gesellschaft zur Eigenschaft der Invalidität ist dadurch gekennzeichnet, dass jeder das Recht hat, als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft im Rahmen seiner individuellen entwicklungsbedingten Eigenschaften und Bedürfnisse unabhängig von einer bestehenden Invalidität anerkannt, einbezogen und geachtet zu werden und die materiellen Voraussetzungen zur Erfüllung der sich auf eine Invalidität beziehenden Pflicht gestellt zu bekommen, und dass jeder die Pflicht hat, Invalidität soweit wie möglich zu vermeiden, zu mindern oder zu kompensieren.

Das ist die invalide Relation der kommunistischen Gesellschaft. Die kommunistische Gesellschaft muss danach den Fakt anerkennen, dass Invalidität eine objektiv gesellschaftlich wirksame Eigenschaft darstellt, die eine entsprechende soziale Gruppe definiert. Doch ihre sozialökonomische Struktur sichert die bestmögliche soziale Integration der betroffenen Menschen, wofür deren individuelle Verantwortung, mit einer ergänzenden gesellschaftlichen Verantwortung verknüpft, die Grundlage liefert.

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f) Die kommunistische Relation zu den Kriminellen

Ein Verstoß gegen geltendes Recht wird Rechtsverletzung genannt. Die in einer Gesellschaft formal als Recht deklarierten Verhaltens- und Strukturregeln sind, ebenfalls formal, für die davon betroffenen Menschen verbindlich. Eine bewusste Rechtsverletzung unter Nichtanerkennung der Verbindlichkeit des verletzten Rechts wird Kriminalität genannt. Ein Mensch, der eine Rechtsverletzung begeht, handelt also nur dann kriminell, wenn er sie im vollen Wissen um ihre Unrechtmäßigkeit begangen hat, da er die Verbindlichkeit der rechtlichen Regeln für seine Person verneint. Dabei ist es unerheblich, wie er verbal argumentiert. Objektiv entscheidend sind die wahren, wirkenden Hintergründe. Da die Feststellung dieser Hintergründe durchaus schwierig sein kann, ist nicht immer eine eindeutige Entscheidung über das Vorliegen einer kriminellen Handlung zu treffen.
Die Missachtung der Rechtsverbindlichkeit bedeutet, dass ein Krimineller, wenn überhaupt, so nur durch Zwang oder mangels Bedarf bereit ist, sich an die Rechtsvorschriften zu halten. Die Eigenschaft der Kriminalität eines Menschen hat also die Tendenz der Wiederholung, solang die Achtung der Verbindlichkeit des Rechts nicht hergestellt ist. Da das Recht als Teil des sozialen Überbaus vom Charakter einer Gesellschaft abhängt, ist auch die Eigenschaft der Kriminalität gesellschaftsabhähgig. Die Frage nach der Verwerflichkeit einer konkreten kriminellen Handlung ist daher nur relativ zu einem bestimmten gesellschaftlichen Standpunkt zu beantworten.
Ein wesentliches Merkmal von Ausbeutergesellschaften ist die Konkurrenz der Menschen um die individuelle und gesellschaftliche Macht. Infolge ihres Rechtsprivilegs ist es dabei den Herrschenden möglich, ihre Macht unter anderem durch die Aufstellung eines ihnen dienlichen formalen Rechts zu unterstützen. Da aber die Ausübung von Macht infolge der Individualität der Menschen immer auch zum Kampf um die Macht führt, ergibt sich aus der Aufgabe des Rechts als Mittel der Machtausübung und Machtsicherung gleichzeitig die gesellschaftliche Tendenz seiner Verletzung. Ausbeuterrecht unterminiert sich also durch die Festschreibung der Machtausübung selbst, da es Gegenreaktionen der verletzten Individualität der beherrschten Menschen erzwingt. Kriminalität ist folglich ein charakteristisches, gesellschaftsbestimmendes Merkmal jeder Ausbeutergesellschaft.
Die Spaltung der Gesellschaft in Klassen betrifft auch die Kriminalität. Treibt die Ausbeutung einen Menschen so weit in die Verelendung, dass er die materiellen Grundlagen des Lebens weitgehend verliert, so ist er bei Strafe seines Untergangs gezwungen, sich die ihm von der Gesellschaft vorenthaltenen Lebensgrundlagen durch Kriminalität zu schaffen. Diese Art der Kriminalität ist die elementarste, da sie direkt dem Selbsterhaltungstrieb des Menschen entspringt.
Eine solche Zwangslage kann für Ausbeuter nicht bestehen. Ausbeuter setzen sich aufgrund ihres Gewinninteresses dann über geltendes Recht hinweg, wenn dieses Recht ihnen nicht effektiv genug für die Ausbeutung und wenn die Gefahren tragbar erscheinen. Je größer der mögliche Gewinn, desto höher auch die Bereitschaft zum Rechtsbruch. Da die Ausbeuter über die Mittel der Justiz und Politik und auch sonst über die Macht verfügen, sind sie bei wesentlich größerem Erfolg wesentlich besser in der Lage, Kriminalität zu verschleiern. Erlaubt das geltende Recht den Ausbeutern nicht, die zu ihrer Machtsicherung erforderlichen Maßnahmen durchzuführen, so nutzen sie ihre Macht, sich über ihr eigenes Recht hinwegzusetzen, Ausbeuter haben ein Kriminalitätsprivileg.
Die nächste Art der Kriminalität unter den Ausgebeuteten ist die bewusste oder unbewusste Rebellion gegen die Macht der Ausbeuter. Sie kann sich gegen die Ausbeuter, ihr System, ihren Besitz richten, aber auch umgeleitet sein oder völlig ungerichtet wirken. Je geringer die Bewusstheit der Betroffenen ist, um so mehr kann diese Art der Kriminalität auch von den Ausbeutern im internen Konkurrenzkampf gegen andere Ausbeuter, oder durch Umleitung gegen Gegner der Ausbeutung im Klassenkampf benutzt werden, indem sie die Menschen entsprechend manipulieren, gegeneinander aufhetzen. In Ausbeutergesellschaften ist Kriminalität ein Herrschaftsinstrument.
Das gilt auch für die dritte Möglichkeit der Kriminalität, die im Gegensatz zu den vorherigen klassenübergreifend ist, weil systemimmanent. Sie betrifft den Konkurrenzkampf, den Kampf um den gesellschaftlichen Erfolg und Aufstieg. Je mehr Macht die Kämpfenden besitzen oder erlangen wollen, um so skrupelloser führen sie ihren Kampf, müssen ihn so führen, um erfolgreich zu sein, und um so schlimmer sind die Auswirkungen, selbst auf Unbeteiligte.
Die Klassenspaltung in der Frage der Kriminalität drückt sich schließlich darin aus, dass die Ausgebeuteten keine Möglichkeit haben, die Wirkung einer Handlung, eines Menschen, als kriminell zu beeinflussen. Infolge ihrer Macht über das Recht haben die Ausbeuter demgegenüber die Möglichkeit, ihren Interessen schadende Handlungen und Menschen zu kriminalisieren und ihnen nützende Handlungen und Menschen, nicht zuletzt also sich selbst, zu legalisieren. Je nach gesellschaftlicher Situation und Zweckmäßigkeit können sie das sowohl durch eine Änderung des formal geltenden Rechts als auch durch eine Änderung der gängigen Rechtspraxis erreichen, da sie sowohl die Macht über die Politik als auch über die Justiz besitzen. Daher sind die Menschen in Ausbeutergesellschaften unabhängig vom geltenden Recht immer der mehr oder minder großen Willkür der Herrschenden ausgeliefert.
In der kommunistischen Gesellschaft ist das Recht nicht von den real wirkenden gesellschaftlichen Prinzipien getrennt, sondern mit ihnen identisch. Das kommunistische Recht dient als Mittel zur Sicherung der kommunistischen Prinzipien, wird aber durch seine autoregulative Gestaltung selbst wieder durch die Wirkung dieser Prinzipien geschützt. Da die kommunistische individuelle Hauptrelation keine sozialökonomische Spaltung der Gesellschaft zuläßt, also weder Existenzbedrohung oder Gewinninteresse, noch Klassenkampf, noch Konkurrenzkampf innerhalb der kommunistischen Gesellschaft existieren, bestehen keine sozialen Ursachen für Kriminalität. Damit stellt die Kriminalität nur noch individuelle Ausnahmen dar und kann keine gesamtgesellschaftliche Wirksamkeit erlangen, also auch nicht eine soziale Gruppe der Kriminellen definieren.
Menschen begehen im Laufe ihrer individuellen Entwicklung immer wieder Fehler, darunter auch solche, die zu einer Rechtsverletzung führen. Durch ihre ganze Struktur, durch die Einbeziehung der Menschen in die gesellschaftlichen Mechanismen, darunter auch die der kommunistischen Justiz, hilft die kommunistische Gesellschaft den Menschen, Fehler zu vermeiden oder zu korrigieren. Rechtsverletzer in der kommunistischen Gesellschaft sind nicht kriminell, solang sie deren gesellschaftliche Prinzipien als für den Bestand der Gesellschaft notwendig und daher als auch für sie verbindlich anerkennen, solang sie also offen ihre Rechtsverletzung bekennen und einsehen und die Konsequenzen daraus freiwillig tragen.
Doch auch in der kommunistischen Gesellschaft können Menschen auftreten, die sich in der einen oder anderen Weise nicht mit den kommunistischen Prinzipien identifizieren können und sie deshalb bewusst missachten. Da alle kommunistischen Prinzipien auf die kommunistischen Grundprinzipien der Gemeinschaftlichkeit und Bewusstheit zurückzuführen sind, richtet sich diese Kriminalität gegen die Gemeinschaftlichkeit oder die Bewusstheit. Die Gemeinschaftlichkeit wird verletzt, wenn der kommunistischen Gesellschaft und damit auch einzelnen ihrer Mitglieder einschließlich des Täters Schaden im Sinne des kommunistischen Grundprinzips der Gemeinschaftlichkeit zugefügt wird, um private Ziele zu erreichen. Darin eingeschlossen sind materielle, ideelle, physische und psychische Schäden. Die Bewusstheit wird verletzt, wenn auf das Bewusstsein von Menschen einschließlich des Täters behindernd oder zerstörend im Sinne des kommunistischen Grundprinzips der Bewusstheit eingewirkt wird. Darin eingeschlossen sind Machtstreben, Manipulation und Suchtförderung.
Menschen, die durch ihr Verhalten demonstrieren, dass sie nicht bereit sind, die Pflichten zu erfüllen, die sich aus den Rechten ergeben, die sie wahrnehmen, sind bezüglich der kommunistischen Gesellschaft kriminell. Da die kommunistische individuelle Hauptrelation den Menschen Rechte nur im Zusammenhang mit Pflichten überlässt, kann die kommunistische Gesellschaft nicht dulden, dass Menschen, die das Leben in der Gesellschaft missachten, in ihr leben. Wird die Pflicht nicht erfüllt, erlischt das Recht. Kriminelle verlieren das Recht auf ein Leben in der kommunistischen Gesellschaft und werden folglich aus ihr ausgestoßen. Kann sichergestellt werden, dass sich ein betroffener Mensch geändert hat und zukünftig die kommunistische Gesellschaft achten wird und dass er eventuell noch vorhandene Folgen seiner früheren Handlungen freiwillig trägt, ist seine Rückkehr gewährleistet. Für die kommunistische Gesellschaft ist infolge ihres Grundprinzips der Bewusstheit die Vergangenheit eines Menschen zwar ein wichtiges Werkzeug zu seiner Einschätzung, aber jeder Mensch wird nach seinem gegenwärtigen Zustand eingeordnet. Er muss die Verantwortung für seine Vergangenheit tragen, darf aber dann auch nicht fortgesetzt verurteilt werden.

Das Verhältnis der kommunistischen Gesellschaft zur möglichen Eigenschaft der Kriminalität ist dadurch gekennzeichnet, dass jeder das Recht hat, geachtet und geschützt in der Gesellschaft in Gemeinschaftlichkeit und Bewusstheit zu leben, und dass niemand das Recht hat, das Leben in der Gesellschaft gegen Gemeinschaftlichkeit und Bewusstheit zu missbrauchen.

Das ist die kriminale Hauptrelation der kommunistischen Gesellschaft. Da sie real wirkt und durch die kommunistische Kontrolle gesichert wird, ist es weder formal noch real möglich, dass sich in der kommunistischen Gesellschaft eine soziale Gruppe der Kriminellen etabliert. Durch die Verneinung eines Rechtes, dass einer Pflicht zur Unterlassung gleichkommt, beschreibt sie also die objektive Nichtexistenz krimineller sozialen Gruppen. Somit kann es, wie es der kommunistischen sozialen Hauptrelation entspricht, auch keine sozialökonomischen Folgen einer Gruppenbildung geben.

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g) Die kommunistische Relation zu den Religionen

Die freiwillige Unterordnung der Menschen unter ein außerhalb und über den Gesellschafts- und Naturgesetzen stehendes Machtprinzip wird Religion genannt. Solche Machtprinzipien sind meist, aber nicht notwendig, handelnde Götter. Religion wirkt einerseits passivierend, indem sie die unwiderstehliche Beherrschung der Menschen durch eine höhere Macht deklariert. Sie wirkt aber auch aktivierend, indem die Menschen durch Versprechen von Lohn oder Androhung von Strafe zum Dienst für das Machtprinzip aufgefordert werden. Religion ist immer das Produkt der Gesellschaft, unabhängig davon, ob solch ein Machtprinzip wirklich existiert oder nicht.
Da die Religion eine Unterordnung fordert und da ihr Grundprinzip zudem zumindest nicht prinzipiell widerlegbar ist, bietet sie sich direkt zur Nutzung durch die Ausbeutergesellschaften an. Durch die Verknüpfung der Religion mit den formalen Grundlagen der gesellschaftlichen Ordnung oder mit der Ordnung oder sogar mit den Herrschenden selbst wird die Forderung der Unterordnung auf die Gesellschaft, auf die Unterordnung der Ausgebeuteten unter die Macht der Ausbeuter übertragen. Dadurch wird erreicht, dass zu allen anderen Beherrschungsmethoden noch der scheinbare Zwang einer angeblich über den Menschen stehenden und unbesiegbaren Macht hinzukommt. In Ausbeutergesellschaften ist Religion ein Herrschaftsinstrument.
Durch ihre prinzipielle Unwiderlegbarkeit eignet sich die Religion hervorragend zur Manipulation der Menschen. Daher unterscheiden sich verschiedene um die Macht kämpfende Gruppen häufig durch ihre Religion oder zumindest durch eine unterschiedliche Interpretation, mit der sie ihren Machtanspruch begründen und so sich selbst ermutigen und andere zu ihren Gefolgsleuten manipulieren können. Auch Ausgebeutete können im Gewand einer religiösen Bewegung gegen Ausbeuter kämpfen, aber aufgrund der objektiven Wirkung des Prinzips der Unterordnung unter eine Macht nützt die Religion auch dann letztlich doch immer nur den Ausbeutern, seien es die alten oder neue, die sich die revolutionäre Bewegung schließlich für ihre eigene Installation zunutze machen. Damit sind religiöse Verhältnisse in Ausbeutergesellschaften immer auch Klassenverhältnisse, da die Mächtigen auch die Macht über die Religion besitzen, Ausbeuter besitzen ein Religionsprivileg.
Alle wirkenden Prinzipien, die kein handelndes Bewusstsein mit eigenem Willen sind, entsprechen in der kommunistischen Philosophie wissenschaftlichen Gesetzen der Materie, die erkannt und ausgenutzt werden können. Da jede religiöse Interpretation solcher Prinzipien nicht logisch aus ihnen abgeleitet werden kann und sich daraus auch keine überprüfbaren zusätzlichen Folgen ergeben, ist sie also schlicht unnötig zu Erklärung und Auseinandersetzung mit der Welt. Damit ist für die kommunistische Gesellschaft nur noch die Existenz eines übergeordneten handelnden Bewusstseins, eines Gottes, relevant.
Der kommunistischen Gesellschaft ist das Prinzip der Unterordnung unter eine Macht fremd. Gibt es tatsächlich ein außerhalb der wissenschaftlichen Gesetze existierendes handelndes Bewusstsein, einen Gott, so bezieht das kommunistische Grundprinzip der Gemeinschaftlichkeit dieses Individuum mit in die Gemeinschaft von Individuen ein, und das kommunistische Grundprinzip der Bewusstheit fordert, dass die Gesellschaft mit diesem Individuum durch gegenseitige, sich ergänzende Rechte und Pflichten entsprechend der kommunistischen individuellen Hauptrelation verknüpft wird. Über welche Kräfte ein Individuum auch verfügt, wie schlau oder wie stark es auch sei, mag es sich nun Gott nennen oder sonstwie, es bleibt ein Bewusstsein wie alle anderen und muss die kommunistischen Grundprinzipien anerkennen und im Sinne des kommunistischen ökonomischen Hauptwirkungsprinzips handeln, sonst wird es durch die kommunistische Gesellschaft als Feind der Menschen, als Ausbeuter, bekämpft. Die kommunistischen Grundprinzipien lassen keinen Platz für eine Herrschaft und erlauben niemandem, einen privaten Dienst zu erzwingen, auch keinem Gott, wie auch immer eine solche Macht moralisch bemäntelt wird.
Damit ist bereits klar, dass die kommunistische Gesellschaft keine religiösen Prinzipien besitzt, dass in ihr unter den bewussten und gemeinschaftlichen Menschen keine Religion existieren kann. Damit verzichtet die kommunistische Gesellschaft auch auf die Möglichkeit der Disziplinierung der Menschen durch religiöse Manipulation, die ohnehin bereits durch das kommunistische Grundprinzip der Bewusstheit und den daraus folgenden Prinzipien und Relationen verboten ist, somit also wirksam verhindert wird. Schließlich existiert in der kommunistischen Gesellschaft gar keine Macht, unter die die Menschen untergeordnet werden könnten. Und die Bewusstheit der Menschen sorgt dafür, dass sie die Entstehung einer Macht auch nicht zulassen.
Religionsgemeinschaften sind daher keine der kommunistischen Gesellschaft immanenten, das heißt notwendig in ihr existierenden sozialen Gruppen. Aber existieren können sie, obgleich sie nicht gesellschaftsbestimmend werden können. Der Grund dafür ist der gleiche wie für die Möglichkeit von Kriminalität. Auch wenn die kommunistischen Grundprinzipien die Gesellschaft bestimmen, kann es als gesellschaftliche Ausnahme einzelne Menschen geben, die diese Grundprinzipien nicht völlig teilen, sei es nun aufgrund prinzipiell anderer Grundwerte oder aufgrund fehlerhafter Erkenntnis der Wahrheit wegen mangelnder Vernunft oder mangelndem Verstand. Solang diese Menschen sich prinzipiell an die Regeln der kommunistischen Gesellschaft halten und ihr keinen Schaden zufügen und damit ins Lager der Kriminellen wechseln, werden sie von ihr anerkannt, insofern, als dass jedes Individuum anerkannt wird. Sie werden also, wie alle anderen Menschen auch, auf der Grundlage ihres Bewusstseinsentwicklungsstandes gesellschaftlich bewertet und mit Rechten und Pflichten versehen, gemäß der kommunistischen individuellen Hauptrelation.
Die kommunistische Gesellschaft kann aber nicht erlauben, dass ein Mensch aus seiner Religion, also ohne wissenschaftliche Grundlage, abgeleitete Vorstellungen anderen Menschen aufzwingt. Dies wird wirksam im politischen Mechanismus der Liga entsprechend dem kommunistischen politischen Hauptwirkungsprinzip verhindert. Die kommunistischen Grundprinzipien und die daraus folgenden Prinzipien und Relationen verpflichten jeden, gesellschaftlich relevante Entscheidungen auf ihrer Grundlage zu treffen, unabhängig auch von privaten religiösen Prinzipien. Wer sich weigert, dies zu tun, wer nicht bewusst und gemeinschaftlich denkt und handelt, wer also die kommunistische Gesellschaft nicht anerkennt, kann auch nicht über sie entscheiden. Die kommunistische individuelle Hauptrelation schützt nicht nur die Individualität der religiösen Menschen vor dem Zwang zur Leugnung, sondern auch und vor allem die bewussten Menschen vor dem Zwang religiös gekleideter Macht.

Das Verhältnis der kommunistischen Gesellschaft zur möglichen Eigenschaft der Religiosität ist dadurch gekennzeichnet, dass jeder das Recht hat, seine individuellen Entscheidungen aus religiösen Gründen heraus zu treffen, und dass niemand das Recht hat, seine religiösen Anschauungen und daraus abgeleitete Entscheidungen direkt oder indirekt auf andere Menschen oder die Gesellschaft als Ganzes zu übertragen.

Das ist die religiöse Relation der kommunistischen Gesellschaft. Sie enthält wiederum die Negation eines Rechtes als Pflicht zur Unterlassung, die beschreibt, dass die Eigenschaft der Religiosität nicht gesellschaftlich relevant sein darf. Sie besagt auch, dass niemand das Recht hat, für ein gesellschaftliches Verbot oder Gebot bestimmter Angelegenheiten einzutreten, nur weil dies seiner Religion entspricht. Insofern eine Tat oder Unterlassung den kommunistischen Prinzipien nicht widerspricht, ist sie erlaubt. Die Menschen können sich in diesem Rahmen individuell für sich dafür oder dagegen entscheiden, haben aber kein Recht, die Festschreibung ihrer individuellen Auffassung zu verlangen.

 

 

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Letzte Änderung: 9. April 2001 - © Kunst des Denkens 1998-2001